: Autonome & Gummibären
■ Verfassungsschutz legt Hamburger Behörde spielerisch lahm. Die taz spielte mit Von Marco Carini
Der Hilferuf erreichte uns aus einer Hamburger Behörde. Sämtliche Computer, so klagte der Amtsmann, liefen zur Zeit an der Überlastungsgrenze. Doch kein neues Großprojekt und keine komplizierte Studie läßt die Behörden-Bites megaheiß laufen. Die Verwaltung ist schlicht im Spielrausch. Urheber der amtlichen Spielwut: Das Bundesamt für Verfassungsschutz, das zur Zeit die Ämter der Republik mit dem Computerspiel „Was steckt dahinter?“ überschwemmt. Das Spiel, so verspricht die Bedienungsanleitung, wird uns den Blick „hinter die Kulissen“ der obersten Grundgesetzhüter erlauben. Wir beben vor Neugier.
Und sind sogleich enttäuscht. Im Prinzip ist das Spiel nicht mehr als ein simples Quiz, das sich mit so undurchsichtigen Gruppen wie Autonomen, Neonazis, und Verfassungsschützern beschäftigt. Viele Fragen sind auf Anhieb ein bißchen schwierig, obwohl es stets nur drei Antwortmöglichkeiten gibt.
Ist „Freiheit für die Gummibärchen“ oder der „Kampf gegen das Ozonloch“ nun das zentrale Ziel der Autonomen? (Die richtige Antwort heißt natürlich: „Zerstörung des Systems“.) Ist ein Neonazi nun eine „neue Leuchtreklame“, eine „Leder-Moderichtung“ oder doch ein „Anhänger von nationalsozialistischem Gedankengut“? Und verübten „linksextremistisch-autonome Gruppen schwere Straftaten“ nun im theoretischen Zusammenhang des „Antifaschismus“, der „Zölibatsdiskussion“ oder der „Gesundheitsreform“?
Wir grübeln. Und begeben uns dabei manchmal auch aufs Glatteis. Unsicher werden wir schon, ob „der Fall der deutschen Mauer“ nun tatsächlich als Beispiel des internationalen Terrors zu bewerten ist, der auch die Bundesrepublik nicht verschone. Bei der Frage, was man unter nachrichtendienstlichen Mitteln verstehe, entscheiden wir uns spontan für die Antwortmöglichkeit: „Im Vertrauen: Der Verfassungsschutz macht, was er will“. Und heimsen überraschend Minuspunkte für eine angeblich falsche Antwort ein.
Gescheitert sind wir auch an der Frage, welche Informationen der Verfassungsschutz sammele. Die nach unseren Kenntnissen richtige Antwort: „Alles was er kriegen kann“ fällt leider glatt durch. Vielleicht, mutmaßen wir, arbeitet der Verfassungsschutz ja so geheim, daß er selber nicht genau weiß, was er alles macht.
Bei der Frage, mit welchen Mitteln Linksextremisten ihre Ziele erreichen wollten, erinnern wir uns natürlich daran, daß vier Linksradikale eingebuchtet wurden, weil sie angeblich die Zeitschrift „radikal“ herausgaben und daß ständig taz-Redaktionen von Ermittlern durchstöbert werden, weil militante linke Gruppen uns mit ihren Erklärungen eindecken. Folgerichtig entscheiden wir uns für die Antwort „Pressearbeit“ – und liegen verblüffenderweise wieder daneben.
Doch das Spiel gibt auch nützliche Informationen. Bei der Frage: „Es knackt in der Telefonleitung, was steckt dahinter?“ erfahren wir, daß eine Observation nicht der Grund sein kann. Die korrekte Antwort lautet: „Wenn der Verfassungsschutz abhört, knackt es nicht“.
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