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Grüne fürs Sparen, SPD eher für Schulden

■ Sozialdemokraten wollen angesichts der Haushaltslöcher höhere Neuverschuldung für 1999 prüfen. Dazu müssen sie nachweisen, daß das "gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht" der Bundesrepublik gestört i

Berlin/Bonn (taz/dpa) – Bei der SPD und den Grünen rauchen die Köpfe zu der Frage, wie eine künftige Regierung die Milliardenlöcher im Bundeshaushalt stopfen könnte. Während die Grünen eher für Einsparungen sind, erwägen die Sozialdemokraten eine höhere Neuverschuldung. Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Karl Diller, erklärte, angesichts der großen Haushaltsrisiken müsse man möglicherweise eine höhere Verschuldung prüfen.

SPD-Chef Lafontaine hingegen bezeichnete entsprechende Medienberichte vorerst noch als „Spekulation“. Die Sozialdemokraten gehen von einer „sicheren Mindestlücke“ in Höhe von 17 Milliarden Mark im Bundeshaushalt 1999 aus. Vor allem die immer bescheideneren Wachstumsprognosen lassen hohe Steuerausfälle erwarten. Außerdem rechnen die Sozialdemokraten mit höheren Ausgaben bei der Arbeitslosenhilfe. Um die Lücke zu stopfen, müßte drastisch gespart oder eben neue Kredite aufgenommen werden. Das Problem: Eine höhere Neuverschuldung des Bundes wäre ohne besondere Begründung nicht verfassungsgemäß.

Laut Artikel 115 des Grundgesetzes darf der Bund sich nicht stärker neu verschulden, als er investiert. Im Haushalt für 1999 sind aber lediglich Neuinvestitionen in Höhe von 57,5 Milliarden Mark eingestellt, bisher sind schon neue Schulden in Höhe von 56,2 Milliarden Mark verplant. Um Kredite aufzunehmen, welche die Neuinvestitionen übersteigen, müßte der künftige Bundesfinanzminister erklären, das „gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht“ der Bundesregierung sei gestört.

Eine solche Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes hatte Bundesfinanzminister Theo Waigel schon für das Jahr 1997 festgestellt. Damals plante er im Nachtragshaushalt gleichfalls eine Neuverschuldung, die über der Summe der Neuinvestionen lag. Pikanterweise hielt ihm damals der SPD-Finanzexperte Diller vor, daß die Überschreitung der Kreditobergrenzen nicht geeignet sei, die gesamtwirtschaftliche Störung zu beseitigen. Die neu bereitgestellten Haushaltsmittel würden ausschließlich zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit verwendet, so Diller 1997. Ähnliches könnte die künftige CDU-Opposition heute bei einer höheren Neuverschuldung der SPD vorwerfen.

Der Grünen-Haushaltspolitiker Oswald Metzger warnte gestern vor einer höheren Kreditaufnahme. Die Voraussetzungen für eine Störung des Gleichgewichts seien „objektiv nicht gegeben“, so Metzger zur taz. Eine höhere Neuverschuldung sei eine „Bankrotterklärung“. Die Grünen diskutieren ein Haushaltssicherungsgesetz, mit dem drastischer gespart werden könnte. Geplante Ausgaben, etwa für Subventionen, könnten damit in die Zukunft verschoben werden. BD

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