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■ VorlaufMeg Ryan auf norddeutsch

„Vorübergehend verstorben“ (20.15 Uhr, ZDF)

Die Hauptrolle in diesem ZDF-Krimi spielt das schöne Phänomen Naivität. Diese Behauptung wird im Folgenden näher erläutert.

Luise Rubato ist Anwältin. Bis in die Nacht hinein nimmt sie sich kleiner Elektrogeräte-Schmuggler und zu Unrecht des Drogendealens bezichtigter Jugendlicher an. Die gute Luise läßt sich in Naturalien bezahlen, wenn ihre Klienten nicht flüssig sind. Auf ihrer Büroanrichte stehen vier Espressomaschinen. Dann aber winkt richtig echtes Geld für wenig Arbeit! 20 Millionen soll Luise für einen südamerikanischen Filou anlegen und verwalten. 20 Mille kompakt, aus dunklen Regenwäldern und von dieser und jener Leiche gesäumt! Das macht Luise lange nicht stutzig. Ist sie wirklich so doof?

Moment mal. Jeder Rolling Stone-Leser (von Spiegel-Lesern, die sowieso mehr wissen, schweigen wir) weiß heutzutage, wie Geldwäsche funktioniert. Luise weiß es nicht. Hoppla, reißt sie ihre schönen großen Augen auf. So ähnlich sehe ich auch aus, wenn mir die Ungläubigkeit ins Gesicht geschrieben steht, nur daß Hauptdarstellerin Karoline Eichhorn praktisch Meg Ryan ist, nur auf norddeutsch, ich aber eher Xenia bin, the warrior princess. Für sein Aussehen bis 30 kann man ja nichts – laut Simone de Beauvoir erst danach. Eichhorn also bringt eine gewisse Lebendigkeit mit, die nur leider den Rest nicht wettmacht.

Liebes ZDF, lieber Sigi Rothemund (Regie), liebe Ulli Stephan (Buch) – das war wohl nichts. Vor allem aber lieber Michael Reale, o Sie Wiedergänger aller südamerikanischen Mannsbilder: War das Ihre werte Stimme – die mit dem widerlich nachgemachten Akzent, der mich unaufhörlich an die Werbung vom „Rrrussischen Zupfkuchen“ denken ließ? Sprechen Latinos denn wirklich wie Fernsehfilm-Exilrussen? (Plan: Zwecks Überprüfung ins KaDeWe fahren.) Am Ende behält Luise, die Liese, das ganze schöne Geld. Eigentlich hat sie es ja nicht verdient. Anke Westphal

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