: Kein neuer Markt für Massagetherapie –betr.: „Wellness-Ausbildung: Massagepractioner“, taz-Bremen vom 10.10.1998
Der Gegenüberstellung der beiden Berufsbilder Masseur und medizinischer Bademeister sowie Massagepractitioner/Massagetherapeut ist hinzuzufügen: Sowohl die klassische Massage,die biodynamische Massage nach Gerda Boysen als auch Akupressur: Jede für sich ist eine derart komplexe Therapieform, die unmöglich bei einem Mindestanspruch an Qualität an acht Wochenenden vermittelt werden kann.
Die Berufsbezeichnung „Massagetherapeut“ ist demnach irreführend und trägt ein nicht unerhebliches gesundheitliches Risiko mit sich – denn, auch wenn „ausschließlich am Gesunden“ massiert wird, wer ist das denn heute schon?
Dagegen werden sowohl Massgepatienten/innen als auch informierte und engagierte Ärzte/innen Ausbildung, Niveau und Arbeit des Masseurs und medizinischen Bademeisters auch in Zukunft zu schätzen wissen.
Der Grund für den Rückgang ärztlicher Massageverordnungen ist keinesfalls im Mangel an „wissenschaftlicher Untermauerung“ dieser Therapieform zu suchen. Vielmehr ist dies ein gesundheitspolitisches Problem von großer Bedeutung: In einer entsinnlichten und körperfeindlichen Zeit, in der wie nie zuvor der Aktivitätswahn im Gesundheits-, Freizeit- und Sportbereich boomt, fällt es leicht, Massage als Wohlfühl- und Streicheleinheitstherapie zu degradieren. Dies ist besonders tragisch, weil viele kaum noch entspannen, loslassen, also „passiv“ sein können.
Hier sind die späteren gesundheitlichen Folgen für den Einzelnen und das Gesamtgesundheitssystem zu überdenken. Dieser Entwicklung ist Einhalt zu gebieten, statt, wie beschrieben, der Massagetherapie rasch einen neuen Markt zu schaffen und so Qualität, Ansehen und Wirkung auf den Menschen zu reduzieren.
Roswitha Heller,
Harald Lindner,
Birgit Hoffmann,
staatl. gepr. Masseur/innen und med. Bademeister/innen
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