: Konstante Kodderschnauze aus Queens
■ Vom Ruffneck zum King of Rock: Weil sie die Ohren weit aufsperrt, ist MC Lyte als eine der wenigen Rapperinnen seit mehr als 10 Jahren ziemlich dick im Geschäft
Diese Frau geht ran. Immer wenn sich ein Kameraobjektiv in ihrer Nähe befindet, rückt MC Lyte ein Stück näher. So nahe, daß auf dem Cover ihres 96er-Album Bad As I Wanna B nur noch ein einziges braunes Auge – natürlich mit extralangen, falschen Wimpern – ins Objektiv paßt. Überhaupt Augen! Ob Nahaufnahmen, Schatten oder Hände – bei vielen Fotos der zierlichen Rapperin aus Queens ist eines der Sehorgane verdeckt oder unscharf. Als ob sie etwas zu verbergen hätte.
Hat sie aber nicht. MC Lyte redet vielmehr seit nunmehr 10 Jahren Tacheles. Damit ist sie neben Queen Latifah die einzige Rapperin, die sich trotz aller Bewegungen des Genres an der Spitze – gelegentlich auch der Rap-Charts – gehalten hat. Was macht eigentlich Monie Love? Hat YoYo kürzlich mal irgend etwas gesagt? „When a woman rock da mike,“ dann sollte es über die Jahre schon Lady Lyte sein. Das liegt weniger daran, daß sie eine außergewöhnliche Wortsportlerin ist oder nach ihrem rustikalen „Ruffneck“ irgendwelche besonderen musikalischen Visionen hätte. Vielmehr führt sie eine hochtourige Kodderschnauze und sperrt die Ohren weit auf. Wie ein Schwamm saugt sie stets die gerade angesagten Strömungen auf und integriert sie in ihre Songs.
Hat sie sich für Bad As I Wanna B noch Jermaine Dupri als Produzenten geangelt, hängt bei Seven& Seven Missy Elliott mit drin. Nachdem die „Misdemeanor“ der Geschäftsfrau aus Queens mit „Cold Rock A Party“ auch hierzulande den ersten Top-40-Hit bescherte, darf die gegenwärtig neben Lauryn Hill wohl wichtigste Frau im Business nun gleich bei drei Songs mitmachen. Und das tut Seven&Seven mehr als gut. Gleich zu Anfang verhunzen die beiden wie anno dunnemals James Marshall Hendrix die Nationalhymne auf der Gitarre. Das macht immer Spaß. Und gilt als wohlfeiler Akt der Auflehnung. Aber auch um „Freak Out“ von Chic macht die Disco-Diva keinen Bogen. Nach diesem offenen Muster funktioniert das ganze Album, das ganze Konzept.
Zur Live-Unterstützung hat MC Lyte, nachdem bei der letzten Tour weniger als 300 Interessierte in die Markthalle kamen, gleich zwei propere R'n'B-Formationen in Vorprogramm gestellt. Ursprünglich aus Washington D.C. stammend, geht es bei dem Gesangs-Trio Amari – was in Swahili soviel wie „Gott ist der Höchste“ meint – um den versierten Chorus. Die vier Mädels aus London wollen als First Class in die erste Klasse – und nirgendwo sonst hin. Volker Marquardt
Di, 27. Oktober, 21 Uhr, Fabrik
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