Überzeugend schmallippig

In „Ein perfekter Mord“ schickt Andrew Davis seine Figuren auf die Suche nach dem makellosen Verbrechen – Verbeugungen vor Altmeister Hitchcock sind auch dabei  ■ Von Cristina Nord

Emily Bradford (Gwyneth Paltrow) ist jung, schön, reich und mit beruflichem Erfolg gesegnet. Als Tochter aus sehr vermögendem Hause und Dolmetscherin bei der UNO besitzt sie einen New Yorker Palazzo, in dem eine gewöhnliche Berliner Hinterhofbutze etwa 40mal Platz finden würde. Emily hat einen Ehemann und einen Geliebten, der erste ist Börsenmakler, der zweite Bohemien und Maler. Steven, der Gatte, wird von Michael Douglas mit überzeugender Schmallippigkeit gegeben; David, der Lover (Viggo Mortensen), entspricht mit seinen Grübchen eher dem Typus des kalifornischen Strandschönlings. Regisseur Andrew Davis schickt die drei Personen ins Rennen, damit sie sich in „Ein perfekter Mord“ das Leben zur Hölle machen. Und das tun sie ausgiebig und mit reichlich krimineller Energie.

Ausgangspunkt dafür ist Alfred Hitchcocks „Dial M for Murder“ mit Grace Kelly und Robert Cummings von 1954. Mit einem der zahlreichen, mehr oder minder glücklichen Hollywoodremakes der letzten Zeit hat „Ein perfekter Mord“ dennoch wenig zu tun. Natürlich gibt es eine ganze Reihe an Verbeugungen vor dem Meister des suspense: etwa den Anruf genau in dem Augenblick, für den der Mord an der jungen Frau geplant ist; zwei Szenen, die Badezimmerdampf, Duschwasser und Spannung auf eine Art mischen, wie sie seit „Psycho“ Legende ist; und schließlich die Suche nach dem vollkommen durchdachten Verbrechen, wie sie Emilys Gatten Steven antreibt – aus Hitchcocks ×uvre ist sie wohl kaum wegzudenken. Doch Davis hütet sich vor Epigonentum, verändert den Plot und bringt, indem er sich von der Vorlage löst, einen in sich geschlossenen Film zuwege.

„Ein perfekter Mord“ macht kein Rätsel daraus, wer der Täter ist. Von einer Überraschung abgesehen, weiß das Publikum stets darüber Bescheid. Was statt dessen bewegt, ist die Frage, wer wie auf die jeweilige Situation reagieren wird. Was macht Steven, der unermüdliche Intrigant, nachdem aus seinem ursprünglichen Plan nichts geworden ist? Wie reißt er sich aus dem Schlamassel, den er sich eingebrockt hat? Wie wird David, der Liebhaber, darauf reagieren? Und ist Emily, der Gwyneth Paltrow einiges von Grace Kellys Verletzlichkeit mitgibt, klug genug, um die Ränkespiele der beiden vorherzusehen und entsprechend gewappnet zu sein?

Davis inszeniert all dies mit großer Liebe zum Detail. Die Stärke von „Ein perfekter Mord“ liegt dabei weniger in den Interieurs, die in ihrer Pracht ausschauen, als hätte es tagelang Dollarscheine geregnet. (Für alle, die angesichts von so viel Luxus der Sozialneid überkommt, ist die eine oder andere Pointe eingeflochten – etwa der Polizist, der zum Ermittlungsleiter sagt: „Die reichen Typen sind wirklich nicht so wie du und ich. Die haben viel mehr von dem Scheißgeld als wir.“). Nein, die Stärke liegt in den Gesten, in dem genervten Augenaufschlag etwa, der Emilys Gesicht trübt, unmittelbar nachdem sie eine Zudringlichkeit ihres Gattens abgewehrt hat. In der Art, wie Steven mit seinem Ehering spielt, während er den Liebhaber seiner Frau zum Mord anzustiften versucht. Wie er in seinem Büro steht und die Lippen aufeinanderpreßt, während zeitgleich Emily und der Lover viel Spaß aneinander haben.

Diese Detailversessenheit führt zwar die Perfektion von Ausstattung und Kameraführung fort, zeigt aber zugleich, daß es bei all der Glätte und Vollkommenheit heutiger Hollywoodproduktionen dann doch die kleinen, unaufdringlichen Zeichen sind, die Wirkung entfalten.

„Ein perfekter Mord“. Regie: Andrew Davis. Buch: Patrick Smith Kelly, nach dem Bühnenstück „Bei Anruf Mord“ von Frederick Knott. Mit Michael Douglas, Gwyneth Paltrow, Viggo Mortensen, David Suchet u.a. USA 1998, 105 Min.