: Glanzvolle Hauptstadt erwünscht
■ Erstmals gibt eine Studie Aufschluß über Erwartungen und gegenwärtiges Profil der Hauptstadt Berlin. Herausragende Rolle bei Wissenschaft und Kultur. International in der 2. Liga
Was erwarten die Bundesbürger von der Hauptstadt Berlin? Wie wird die veränderte Rolle der Stadt international wahrgenommen? Und wie beurteilen die Berliner die Entwicklung ihrer Stadt? Erstmals liegt mit „Berlin im Kopf“ eine repräsentative Studie zum Profil der Stadt vor, die von Wissenschaftlern und Kommunikationsexperten der Kohtes & Klewes Konferenz in Zusammenarbeit mit dem Emnid-Institut erstellt wurde. Befragt wurden knapp 2.000 Bundesbürger und Berliner sowie 1.000 Angehörige der wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Elite, darunter auch Studenten. Darüberhinaus wurden 1.000 Personen im Ausland interviewt.
Eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger wünscht sich eine repräsentative Hauptstadt, die auch im europäischen Wettbewerb bestehen kann. Eine knappe Mehrheit der Bundesbürger (54,4 Prozent) spricht sich auch für eine besondere Förderung der Hauptstadt aus, insbesondere der Kultur. Impulse für die weitere Entwicklung der Stadt erwarten sowohl Bundesbürger als auch Berliner in erster Linie von der Bundesregierung und nicht vom Berliner Senat.
Auf zwei Feldern, auf denen von Berlin als Hauptstadt eine herausragende Rolle erwartet wird, weist Berlin schon jetzt ein ausgeprägtes Profil auf. Berlin gilt als die Kulturstadt Deutschlands. Ausgeprägt ist auch Berlins Ruf als Wissenschaftsstadt. „Der hohe Vorrang von Kultur und Wissenschaft weist auf ein idyllisches Hauptstadtbild, das nicht zur Hektik des Alltags paßt“, erläuterte der Geschäftsführer von Kohtes & Klewes, Ralf Breke-Bramkamp. Eine Vorreiterrolle wird von Berlin im Ost-West-Dialog erwartet. Ein schwaches Profil weist die Stadt als Medien- und Wirtschaftsstandort auf. Auch beim Stichwort „Lebensart“ erhält Berlin schlechte Noten, hier liegt München unangefochten vorn.
Im bundesrepublikanischen Städtevergleich liegt Berlin bei der Kultur, dem Stichwort „Szene“ und der Innovationsfähigkeit an der Spitze. 40,7 Prozent der Befragten verorten in Berlin das höchste Innovationspotential, mit weitem Abstand folgt München mit 24,4 Prozent. Für das Profil der Hauptstadt ist eine interessante Szene und Avantgarde allerdings von nachgeordneter Bedeutung. Als Identifikationsmerkmal spiele dies nur eine geringe Rolle, da auch andere Städte wie Hamburg oder München eine „Szene“ aufwiesen, so die Studie. Als kennzeichnend für Berlin gilt hingegen der stetige Wandel der Stadt.
International kann sich Berlin nur in der 2. Liga behaupten: im europäischen Vergleich rangiert Berlin aus deutscher Sicht auf Platz sechs — nach Paris, Rom, London, Madrid und Wien. Aus internationaler Sicht belegt Berlin sogar nur den achten Platz.
Beim Imageprofil wird Berlin von den Deutschen überwiegend als attraktiv (70,3 Prozent) und weltoffen (70,9 Prozent) eingeordnet. Das Erscheinungsbild der Stadt wird allerdings kritisch gesehen. Als „chic“ bewerten die Stadt 56,8 Prozent der Bevölkerung, für „schmuddelig“ halten sie 35 Prozent. Auch die Kriminalität wird als Negativ-Faktor gesehen.
Eine gewisse Differenz ist zwischen der Außenwahrnehmung und der Selbstwahrnehmung zu verzeichnen. Die Berliner bewerten das Image ihrer Stadt durchweg schlechter als die Bundesbürger. Dabei geben 82 Prozent der Hauptstädter an, gerne oder sehr gerne in Berlin zu leben, während 72 Prozent der Bundesbürger ungern dort wohnen möchten.
Was die künftige Entwicklung Berlins angeht, sind die Bundesbürger weitaus optimistischer als die Berliner. Knapp 80 Prozent der Bevölkerung und mehr als 80 Prozent der Eliten erwarten, daß Berlin sich positiv entwickelt. Davon gehen allerdings nur 64,8 Prozent der Berliner aus. Knapp 30 Prozent erwarten sogar eine negative Entwicklung.
Die Befragten im Ausland erwarten überwiegend (56,2 Prozent), daß die internationale Rolle Deutschlands durch Berlin als Hauptstadt zunehmen wird. Eine historische Hypothek belastet hierbei weder die gegenwärtige Einschätzung noch die künftig gewünschte Rolle der Stadt. Berlin genieße einen hohen Vertrauensvorschuß, so die Studie. Bei den Bundesbürgern ist die Vorfreude auf die Hauptstadt dennoch verhalten. Bei den Älteren ist sie am ausgeprägtesten, da Berlin nostalgische Gefühle weckt. Bei den 14- bis 39jährigen empfinden nur 23,4 Prozent Vorfreude. Umgekehrt haben 24 Prozent der Berliner den Eindruck, daß die Deutschen eher Angst vor dem Hauptstadtwechsel haben. Dorothee Winden
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