: „Das Zeug fliegt durchs Dock, jeder atmet es ein“
■ Der Schiffsanstreicher Rolf Spalek (53), bei der Bremer Vulkan Werft bis zu deren Konkurs 1997 fast 30 Jahre lang als Betriebsrat zuständig für Arbeitsschutz, über die Gefahren für Werftarbeiter
taz: Wußten Sie, daß TBT in Schiffsfarben gefährlich ist?
Rolf Spalek: Wir sind doch nicht blöd. Farben mit TBT stehen als krebserregend in der Gefahrensliste des Arbeitsschutzes. Ein Biozid, das Meerestiere tötet, kann für Menschen nicht gesund sein.
Wie wird mit TBT gearbeitet?
Aus Kostengründen vergeben Werften seit langem Schiffsanstriche an Fremdfirmen. Die Arbeit muß schnell gehen. Für Pinsel und Farbrolle ist keine Zeit, TBT wird aufgesprüht. Oft nachts, damit die werfteigenen Arbeiter nicht geschädigt werden.
Gibt es Verarbeitungsvorschriften?
Selbstverständlich, das volle Programm für Maler: Schutzanzug und -schuhe, säurefeste Handschuhe und Atemmasken. Malsektoren müssen gegen Luftzug geschützt sein. Alle Kontaktmaterialien müssen als Sondermüll entsorgt werden. Vieles ging beim Bremer Vulkan aber in den Hausmüll. Verseuchte Farbeimer konnten aus den Docks gespült werden.
Sind Arbeiter direkt mit TBT in Berührung gekommen?
Das Zeug fliegt durchs Dock. Jeder atmet das ein. Für Sprühschutz gibt es weder Zeit noch Geld. Kollegen, die bei Malarbeiten daneben standen, wurden die Brillen verschmiert. Hände und Overalls waren mit Farben verklebt. Heute gibt es Krach in Bremen zwischen der Hapag Lloyd Werft und einem Autoverlader im Hafen. Dessen Autos parken fast einen Kilometer von der Werft entfernt. Trotzdem sind die mit Schiffsfarben bekleckert.
Hat es Protest gegen die TBT- Verseuchung gegeben?
Natürlich. Wir Vulkanarbeiter haben mehrmals die Arbeit niedergelegt und das Gewerbeaufsichtsamt eingeschaltet. Das kam und machte der Betriebsleitung Auflagen. Bevor die Fristen zur Einführung der Auflagen abliefen, waren die Schiffe längst aus den Docks. Geändert hat sich nichts.
Und die Arbeiter der Anstreichfirmen?
Da waren problematische Leute bei. Ich hab gesehen, wie die mit der Zigarette im Mund und ohne Vollschutz gesprüht haben. Wir hatten nur mit denen Kontakt, die an Schiffsneubauten beteiligt waren. Was bei Schiffssanierungen in den Außendocks alles passiert ist, das weiß keiner.
Ist bei Neubauten was passiert?
Pi mal Daumen kostet jeder Schiffsbau einen Unfalltoten. Dieses TBT-Zeug macht akut Hautreizungen, aber es wirkt langfristig. Auf langfristige Schäden hin sind Werftarbeiter bis auf Schädigungen durch Asbest nie untersucht worden. Eine Arbeitsgruppe ehemaliger Vulkanarbeiter und die Uni Bremen planen jetzt ein entsprechendes Projekt.
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