Das Portrait: Die Wurzeln in der Wahrscheinlichkeit
■ Eric Ambler
Krimiunterhaltung in den sechziger Jahren funktionierte wie diese: Der Ganove Arthur Simpson (Peter Ustinov) erleichtert im Bilderbuch-Istanbul leichtgläubige Touristen. Eines Tages bekommt er Konkurrenz, und alles läuft auf ein großes Ding hinaus. Die Entführung der teuersten Stücke aus dem Topkapi-Serayi. Das Leben als Rififi. Die Buchvorlage zum Film „Topkapi“ heißt „The Light of Day“ und stammt von Eric Ambler. Film macht berühmt, aber unter Ambler-Fans zählt „Topkapi“ eher zu den schwächeren Romanen des Thriller-Autors, von dem Frederick Forsyth meinte, er habe den Spionage-Thriller aus wohlwollenden Umgebung des Wohnzimmers in die düsteren Gassen verlegt, wo sich das wirkliche Leben abspielt.
Eric Ambler, am 28. Juni 1909 als Sohn eines Schaustellerehepaars in London geboren, schrieb nach einer Ausbildung zum Elektroingenieur insgesamt 21 Romane, die in mehr als 30 Sprachen übersetzt wurden. Viele der Romanhelden Amblers haben technische Berufe wie er und geraten plötzlich aus ihrer kleinen bürgerlichen Welt in die weltpolitischen Konflikte. Die Geheimnisse der Welt des Kalten Krieges als monströse Erzählung. Maschinenbauer werden zu Waffenkonstrukteuren, und Handelsvertreter verstricken sich in undurchsichtige Schmuggelgeschäfte. Weil Ambler häufig aktuelle politische Konflikte als Folie für seine Romane wählte, wurde er vielfach als Aufklärer gelesen, dem es Bedürfnis sei, die Welt so zu erklären. Ambler selbst hat einmal gesagt, der Kriminalroman sei die letzte moderne Form, die es erlaube, über Gut und Böse zu schreiben.
Der britische Thriller-Autor Eric Ambler ist im Alter von 89 Jahren gestorben Foto: AP
Der auch als politischer Essayist geschätzte Ambler mochte sich in erster Linie für die Beschaffenheit der Welt interessieren. Der Romancier Ambler aber befaßte sich vor allem mit der Psychologie seiner Protagonisten, die das kalte Grauen der politischen Mächte erst transportieren halfen. Die kühle Atmosphäre der Romane und ihre präzise Konstruktion hatte entscheidenden Einfluß auf John Le Carré und Graham Greene. Eric Amblers erzählerisches Vermögen bezog sich aber nicht bloß auf die politische Beschaffenheit der Welt. Die beste Satire, so ein Bonmot von Ambler, hat ihre Wurzeln in der Wahrscheinlichkeit. Andreas Himberg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen