Opel rast zügig bergab

■ Die Autofirma hat Absatzschwierigkeiten. Leere Stühle in der Chefetage. Konzernmutter GM fordert Masse, Manager wollen Klasse

Berlin (taz/dpa/AFP) – Die Adam Opel AG ist kopf- und konzeptlos. Nachdem der Aufsichtsratschef Hans Wilhelm Gäb seinen Rücktritt erklärt hatte, muß das Gremium bei der heutigen Krisensitzung ohne ihn auskommen. Auch der Sessel des Vorstandschefs ist vakant, seit die US-amerikanische Muttergesellschaft General Motors (GM) den erst vor vier Monaten eingesetzten Opel-Chef Gary Cowger zurück in die Heimat gerufen hatte – angeblich, damit er dort das angeschlagene Verhältnis zu den Gewerkschaften kittet. Schließlich gab es dort im Sommer einen 54tägigen Streik, der einen Umsatzausfall in Höhe von rund drei Milliarden Dollar verursacht hat.

Gäb hatte sich vergeblich darum bemüht, Cowger in Deutschland zu halten, und sich auch sonst für einen eigenständigeren Kurs gegenüber den Vorgaben aus Detroit eingesetzt. Im Kern geht es um die Frage Masse oder Klasse vor dem Hintergrund einer fatalen wirtschaftlichen Situation bei Opel. Opels Marktanteil in Deutschland hat in diesem Jahr schon Tiefststände von weniger als 14 Prozent erreicht. In den 70ern war jedes fünfte zugelassene Auto ein Opel-Modell. Trotz eines Rekordumsatzes von 30 Milliarden Mark mußte Opel 1997 einen Verlust von 228 Millionen Mark ausweisen. Im Vorjahr hatte das Unternehmen noch 314 Millionen Mark Gewinn gemacht.

Eine echte Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht. Der weltweit größte Autokonzern GM hat ebenso wie sein Tochterunternehmen Opel Schwierigkeiten, sich gegen die erstarkende Konkurrenz auf dem Automarkt zu behaupten. Der Wettbewerb in den vergangenen Jahren zwingt die Konzerne zu möglichst breiten Angebotspaletten, die wiederum nur durch eine stringente Lohn- und Kostenpolitik überhaupt zu finanzieren sind. General Motors setzt dabei den Schwerpunkt auf möglichst billige Produktion, die Opel-Chefs bislang vor allem auf Qualität und guten Ruf. Beide Ansprüche lassen sich schwer vereinbaren. Nun wurde ausgerechnet der erst vor kurzem eingesetzte Opel-Entwicklungsleiter Peter Hanenberger von den GM-Managern als neuer Chef in Rüsselsheim protegiert. In Rüsselsheim werfen ihm viele vor, den Qualitätsstandard bei neuen Modellen gesenkt zu haben. Dadurch seien mehrere Rückrufaktionen notwendig geworden, die Opels Ruf ruinierten.

Widerstand gibt es auch am Band

Auch die Mitarbeitervertreter wollen Hanenberger auf jeden Fall verhindern. Denn auch an den Arbeitsplätzen geht der konfuse Marktanpassungsprozeß von GM und Opel nicht spurlos vorbei. Seit 1993 hat Opel rund 9.000 Stellen gestrichen, die Vorzeigefabrik im thüringischen Eisenach ist ein Musterprojekt der lean production. Alle Bereiche, die nicht zur Fertigung gehören, sind ausgelagert worden und werden von Fremdfirmen bearbeitet. Bei Produktionsspitzen werden zunächst Leiharbeiter am Band eingesetzt, die erheblich geringer bezahlt werden als ihre Opel-Kollegen. Diese Situation will sich die Belegschaft nicht länger gefallen lassen. „Die Stimmung hat sich hier auch schon verändert“, sagt IG-Metall-Vertrauenskörperleiter Fritz Hofmann. Seit einigen Wochen plant die Führungsspitze, auch die Staplerfahrer in der Logistik auszulagern und die erste Fremdfirma in die Halle zu holen. „Die Kollegen haben Angst, daß sie als nächste dran sind“, so Hofmann. Seit Oktober haben sie mehrfach die Arbeit niedergelegt – in ganz legalen Aktionen: Während der Schicht holten sie dringende Informationen beim Betriebsrat ein und ließen damit die Produktion ausfallen. In der Pause fanden in der Werkshalle mehrfach Betriebsversammlungen statt – bis das Management ein Moratorium ansetzte, das in drei Wochen ausläuft. In dieser Zeit sollen die Beschäftigten an der Ausschreibung und dem Auswahlverfahren beteiligt werden.

Auch im Werk Bochum hatten sich die Arbeiter zuletzt gegen Auslagerungen von Arbeitsbereichen und die Verschlechterung von Arbeitsbedingungen gewehrt und nach mehreren Arbeitsniederlegungen eine Absenkung der Bandgeschwindigkeit sowie rund 50 Neueinstellungen erreicht. Was mit den Bereichen passiert, die ausgegliedert werden sollten, soll nun in Arbeitsgruppen entschieden werden.

„Es gärt überall“, sagt Hofmann. „Bei Opel ist einfach eine Grenze erreicht.“ Daß sich die Situation allerdings mit einem Wechsel in der Führungsspitze grundlegend bessern könnte, kann er, anders als die Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat, die auf „die deutsche Führung“ setzen, nicht sehen. „Wenn es darum geht, sich zwischen Qualität und billig zu entscheiden, nehmen doch alle die billige Qualität – und die geht nur auf Kosten der Arbeitskräfte.“ bw