Mit Katzenknochen

Der Voodoo-Veteran Dr. John umgibt sich mit jüngeren Verehrern aus Großbritannien  ■ Von Jörg Feyer

anchmal haben Plattenfirmenleute sogar Ideen, die in der Realität besser klingen als auf dem Papier. Tony Wadsworth hatte wohl das Model „Jonny Cash“ im Sinn, als er Dr. John alias Mac Rebennack einen Vertrag beim britischen EMI-Unterlabel Parlophone anbot. Man nehme einen verdienten, aber zuletzt unter Wert verkauften Veteranen und umgebe ihn mit jüngeren Verehrern. Hier mit Paul Weller, der Dr. John's Klassiker „Walk On Guilded Splinters“ gecovert hatte; mit Spiritualized, die den 57-jährigen Musiker aus New Orleans schon zur Teilnahme an ihrem Cop Shoot Cop überredeten; mit Supergrass, die er schon zwei Jahre zuvor auf einer Silvesterfeier fürs britische TV kennenlernen durfte. Nicht zu vergessen: Mit Brit-Pop-Papst John Leckie (Verve etc.), der das Ergebnis Anutha Zone routiniert produzierte.

Der Ruf ins britische Exil kam Rebennack gerade recht. Anders als zuletzt die Songwriterin Shawn Colvin konnte er nicht davon profitieren, daß ihm Anfang der 90er gleich zwei Grammies zuteil wurden. Später machte er beim Schönwetter-Jazz-Label GRP zwar akzeptable Alben, aber keine Marketing-Pluspunkte. Anutha Zone rekurriert nun ganz ungeniert auf die Genese der Kunstfigur Dr. John, für die ein legendenumrankter Naturarzt aus dem 19. Jahrhundert Modell stand.

Damals, 1967, erübrigten seine Arbeitgeber Sonny & Cher in L.A. Studiozeit, welche der Sessionmusiker Rebennack prompt für das Album Gris Gris nutzte. Schon mit 16 Produzent für das wichtige R'B-Label Ace und seit früher Kindheit mit überlieferten Voodoo-Bräuchen vertraut, zog er die Quersumme daraus und hängte sich in seinen Shows Katzenknochen und Schlangenhäute um. Die ebenso mystische wie tanzbare Mixtur machte den „Night Tripper“ zum unwahrscheinlichen Darling der Flower-Power-Kids.

Es sei „Zufall“ gewesen, daß er da „reinschlidderte“, sagt Rebennack heute, denn: „Wir präsentierten traditionelle Musik so, daß sie als Teil der Psychedelic-Kultur akzeptiert wurde. Man hielt sie für etwas, was sie gar nicht war. Es war im Prinzip ein Mißverständnis. Aber zu dieser Zeit veränderten sich viele Dinge. und weil alles ein großer Kreislauf ist, interessieren sich jetzt wieder junge Typen dafür. Das Ergebnis hätte ich jedenfalls bewußt nie in Erwägung gezogen.“ Und klingt schon deshalb einen Tick anders, weil es „etwas völlig anderes“ sei, solche Songs mit Musikern in New Orleans zu spielen, „wo die Tradition direkt weitergereicht wird“, nicht indirekt nachempfunden wie in London, England.

Zuletzt mußte Dr. John die Verluste enger Weggefährten verkraften, wie seines Co-Autors Doc Pomus, des Banjo-Spielers Danny Barker, des Saxophinsten Red Tyler. Doch die Reise nach Hamburg kann er immer noch mit Drummer Herman Ernest, Bassist David Barard und Gitarrist Bobby Broom antreten, die seit Jahren mit seiner Musik vertraut sind und auch in kleiner Quartett-Besetzung (und ohne Katzenknochen) zumindest eine Prise Voodoo-Flair garantieren sollten. Fr, 30. Oktober, 21 Uhr, Markthalle