: Bela Lugosi lebt doch
■ Auch die Gothic-Rocker Bauhaus treibt die Sehnsucht nach dem Ruhm von vorgestern um
Bauhaus-Fans reihen ihre Lieblinge ja gern ein neben Velvet Underground oder den Doors. Was Bauhaus vom mittelenglischen Northampton aus der Welt schenkten, war allerdings vor allem das Gothic-Genre. Sie selbst distanzierten sich öffentlich zwar gern von den auftoupierten Grabschändern und romantischen Seancen-Veranstaltern. Aber durften sie sich wundern, ständig komplett in Schwarz gekleidet, die erste Single „Bela Lugosi's Dead“ ein über neun Minuten langes Schmerzensepos über eine Horrorfilm- Ikone, und Peter Murphy singt ein paar dutzendmal „I'm dead, I'm dead“?
Im Vampir-Streifen „The Hunger“ hatten sie einen Auftritt als Kellerclub-Combo, bei Konzerten verwendeten sie aus Prinzip nur kalkweißes Licht, denn „bunte Lampen sind was für Christbäume“. Selbst schuld, möchte man da anmerken. Das einschlägige Publikum war begeistert, die Epigonen ließen nicht lange auf sich warten, und trotzdem wird noch heute jeder verdroschen, der Bauhaus als Goth-Rocker bezeichnet.
Zugute halten kann man Bauhaus, daß in dem von ihnen mit angestoßenen Genre kaum etwas neu erfunden wurde, was sie selbst nicht schon zumindest angedacht hätten. Ob Dance-Rhythmen oder Hardrock-Anleihen, mittelalterliche Sakralgesänge oder rückkoppelnde Psychedelia, kaum ein Stil war vor einer freundlichen Umarmung durch unsere leptosomen Freunde sicher. Die ersten beiden, in Los Angeles angesetzten Reunions-Auftritte waren innerhalb von 15 Minuten ausverkauft. Auf der jetzigen Tour wird ausführlich „Resurrection“, also „Auferstehung“, gefeiert. Dabei verkaufte sich ihr Backkatalog immer ziemlich gut. Und auch wenn Peter Murphys letzte Solo-Platten weitgehend unbemerkt blieben, waren er und auch die Projekte der anderen wie Love & Rockets oder Tones on Tail finanziell erfolgreicher, als es Bauhaus zu Lebzeiten je gewesen waren.
Nötig hätten sie es also nicht unbedingt gehabt, nach 15jähriger Trennung die alte Goth-Kiste wiederaufleben zu lassen. Vielleicht ist es ja die nimmer sterbene Sehnsucht alter Helden nach dem Ruhm von gestern, die es zu befriedigen gilt. Die Einflüsse jedenfalls sind die alten geblieben. Zu den per Coverversionen als offizielle Haupteinflüsse bereits seit längerem markierten David Bowie und Marc Bolan gesellt sich nun auch Iggy Pop, dessen „The Passenger“ ins Live-Programm aufgenommen wurde. Und: Es soll sogar schon neues Material geben.
Aber was soll das denn? Die Leute wollen doch Eighties-Revival und nicht noch mehr Sterben in Schönheit. Darum geht es doch: sich noch mal erinnern, wie es so war, als man gepflegt am Abgrund stand, beschäftigt mit der schweren Entscheidung, ob man sich die häßliche Pilotensonnenbrille nun zulegt oder nicht. Thomas Winkler
Heute, 21 Uhr, Arena, Eichenstraße 4, Treptow
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