: Angst, Schleim und Dunkelheit
■ In „Halloween – 20 Jahre später“ kehrt Jamie Lee Curtis an den Beginn ihrer Karriere zurück. Auch Michael Myers ist wieder da
Nachdem John Carpenter vor genau 20 Jahren für schon damals lächerliche 300.000 Dollar „Halloween“ gedreht hatte, war der Horrorfilm nicht mehr derselbe. Angefangen mit den ersten Vampirfilmen über „Cat People“ bis zu Hitchcocks „Psycho“ war das Genre ein Rangierbahnhof für psychologische Spielchen und verbrämte Sozialkritik. Seit „Halloween“ aber sind die besten Horrorfilme wie guter Hardrock: eine Spur zu primitiv, ohne viel Tiefgang, jederzeit plakativ und ein von sich überzeugter tumber Spaß, der sich aus dem eigenen Erschrecken speist. Und seit „Halloween“ wird im Grunde immer wieder dieselbe Geschichte erzählt: Eine unbegründete, möglicherweise sogar ungenannte Bedrohung taucht aus dem Dunkeln auf und mordet, bis sie schließlich vom letzten Überlebenden besiegt wird. Erforscht wird nicht mehr die Psyche des Täters, die Symbolhaftigkeit seines Handelns. Seit 20 Jahren hat der Horrorfilm nur noch ein Ziel: die geheimsten Ängste seines Betrachters, das Unbekannte, das Schleimige und das Dunkle effektvoll zu inszenieren.
Die Kritiker haben das gehaßt, aber kaum ein Film dürfte sein Genre so nachhaltig beeinflußt haben wie „Halloween“. Ganz abgesehen von den fünf ziemlich durchgehend gräßlichen Fortsetzungen und einem knappen Dutzend Machwerken, die per Titelähnlichkeit an den Erfolg andocken wollten, hat eine ganze Generation von Filmemachern an „Halloween“ die grundsätzlichen Regeln studiert. Kevin Williamson, neuer Drehbuchstar der Branche („Scream“, „I Know What You Did Last Summer“) will seinen Lieblingsfilm über 100mal gesehen haben und unsterblich in Jamie Lee Curtis verliebt gewesen sein.
Ausgerechnet Curtis selbst soll nun vornehmlich die Wiederaufnahme des Themas betrieben und den Anstoß zu „Halloween H20 – 20 Jahre später“ gegeben haben, obwohl sie trotz einer seitdem recht erfolgreich verlaufenden Hollywood-Karriere nicht nur bei Slasherfans all die Jahre doch vor allem die 19jährige Scream Queen aus „Halloween“ geblieben war. So führt sie sich auch diesmal wieder mit einem nicht enden wollenden Schrei ein, aber aus der Babysitterin ist nun die Direktorin einer Privatschule geworden, die einen fast erwachsenen Sohn und nicht zu unterschätzende Probleme mit Alkohol und Tabletten hat. Da ihr serienmordender Bruder bekanntermaßen seine Verwandten gar nicht leiden kann, geht das Gemetzel natürlich prompt an Halloween los. Da John Carpenter vor 20 Jahren schlauerweise die Leiche von Michael Myers kurz vor Toresschluß verschwinden ließ, hat „H20“ nicht mal das Problem anderer Serials, eine unglaubwürdige Widerauferstehung bemühen zu müssen. Schlußendlich ist Myers einfach da und zieht sich seine Maske über – dafür braucht es keinen Grund, sondern nur einen Vorwand.
„H20“ tut einfach so, als hätte es die Fortsetzungen nie gegeben. Für dieses nun wohl doch endgültige Kapitel schrieb Williamson zwar nicht das Drehbuch, aber lieferte die Grundidee und koproduzierte den Film. So sind die Selbstreferenzen, für die Williamson berüchtigt ist, nur sparsam eingesetzt und es wohl weniger der Regie von Horror-Veteran Steve Miner (immerhin zwei Teile der unendlichen Freitag-der-13.-Serie), sondern wohl Williamson und seiner ausdrücklichen Verehrung für das Original zu verdanken, daß „H20“ kein psychologisch und philosophisch peinlich überfrachteter Versuch wie die letzten Serials geworden ist, sondern ein ebenso schlichter wie nervenzerfetzender, fast klassisch-eleganter Horrorfilm, der selbst auf vom Wind gebauschte Gardinen, flackernde Glühbirnen, durchschnittene Telefonleitungen und Teenager, die nach dem Sex dran glauben müssen, nicht verzichten will. Ein Film, der exakt das tut, was auch guter Hardrock tun sollte: Einen in den Sessel drücken. Thomas Winkler
„Halloween H20 – 20 Jahre später“. Regie: Steve Miner. Mit Jamie Lee Curtis, Adam Arkin, Josh Hartnett, Michelle Williams, Janet Leigh, LL Cool J. USA 1998, 86 Min.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen