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Der Frieden ist auf unbestimmt vertagt

■ Netanjahu will das Abkommen von Wye nur umsetzen, wenn die Palästinenser einen schriftlichen „Antiterrorplan“ vorlegen

Jerusalem (taz) – Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die Umsetzung des Wye-Abkommens erst einmal auf Eis gelegt. Sein Sprecher Aviv Bushinsky erklärte am Dienstag abend, es habe eine mündliche Übereinkunft in Wye Plantation in den USA gegeben, laut der die palästinensische Seite der US-Regierung zuerst einen vollständigen Plan zur „Bekämpfung des Terrorismus“ vorlegen solle. „Wir haben erfahren, daß die Palästinenser den Amerikanern mitgeteilt haben, daß sie sich nicht in der Lage sehen, diese Bedingung zu erfüllen. Das ist nicht akzeptabel. Das Kabinett kann nicht über ein Abkommen entscheiden, das unvollständig ist“, erklärte Bushinsky. Netanjahu habe deshalb die Vorlage des Abkommens im Kabinett auf unbestimmte Zeit verschoben.

Ein hoher US-Beamter sagte nach Angaben der Jerusalem Post dagegen, die Umsetzung des Abkommens werde am kommenden Montag beginnen. Eine Zustimmung des israelischen Kabinetts sei dafür gar nicht erforderlich. Netanjahu hielt dagegen, er werde das Abkommen nur umsetzen, wenn das Kabinett ihm zugestimmt habe. Im Abkommen selbst ist zwar festgelegt, daß die Palästinenser den USA einen Plan zur Bekämpfung des Terrorismus vorlegen müssen, ein Zeitrahmen ist dafür aber nicht festgelegt.

Beobachter vermuten, daß Netanjahu die Umsetzung des Abkommens ausgesetzt hat, um drohende Neuwahlen abzuwenden und Zeit zu gewinnen, um seine Kabinettsmitglieder zu bewegen, dem Abkommen zuzustimmen. Es gilt als höchstwahrscheinlich, daß die Knesset demnächst ein Gesetz beschließen wird, das Neuwahlen im Frühjahr vorsieht.

Von palästinensischer Seite wird die Entscheidung Netanjahus scharf kritisiert. Hassan Asfur, einer der Verhandlungsführer, sagte, dieser Schritt zeige erneut „die politische Feigheit Netanjahus. Es sieht so aus, daß Netanjahu sich einmal mehr der Erpressung durch die Siedler und die Extremisten beugt.“

Tatsächlich scheint Netanjahu über Ausmaß und Schärfe des Protestes überrascht zu sein. Siedler bezeichneten ihn in den vergangenen Tagen als „Verräter“ und „Betrüger“, der das „Land Israel“ verkaufe. Der Mord an einem israelischen Siedler in Hebron am Montag hat die Gemüter weiter erhitzt. Die beiden palästinensischen Täter sind bereits gefaßt, und ein israelischer Polizeisprecher lobte die palästinensische Polizei für ihre effektive Kooperation. Der anscheinende Rachemord an einem palästinensischen Bauern bei Nablus ist dagegen noch nicht aufgeklärt. Der 70jährige war am Montag abend in einem Graben aufgefunden worden. Sein Gesicht war mit einem Stein bis zur Unkenntlichkeit zertrümmert. In einem anonymen Anruf bekannte sich der mutmaßliche Mörder zu dem Racheakt. Die Palästinenser verlangen nun eine ebensolche effektive israelische Polizeiarbeit. Und da die Altstadt von Hebron wegen des Mordes wieder unter Ausgangssperre gestellt wurde, fordern die Palästinenser, daß auch über die Siedlung Itamar, in deren Nähe der Mord geschah, eine Ausgangssperre verhängt wird. Dies mache schließlich die „Gegenseitigkeit“ aus, die Netanjahu fordere.

Am Dienstag wird US-Unterhändler Dennis Ross in der Region erwartet. Er soll angeblich bis zu drei Wochen bleiben, um all diese Differenzen auszuräumen. Georg Baltissen

Kommentar Seite 12

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