piwik no script img

Der Mann, der Klartext redet

Neu-Trainer Felix Magath verblüfft beim Bremer Sanierungsversuch mit einer neuen Pointe: Er scheint eine Idee von Fußball zu haben – 1:1 gegen Duisburg hin oder her  ■ Von Jochen Grabler

Bremen (taz) – Pfeilgerade guckt der Mann dem Frager in die Augen. Und dann: Felix Magath gibt Auskunft. Cool, abgeklärt, unbewegten Gesichts. Daß seine Mannschaft offenbar über lange Zeit den Ernst der Lage nicht begriffen habe. Daß es an der professionellen Einstellung mangelt. An den körperlichen Voraussetzungen sowieso. Magath, der Schachspieler. Zug um Zug legt er die Schwächen der Vergangenheit bloß. Knapp, präzise, mehr als anderthalb Stunden dauert die Audienz beim neuen Werder-Trainer, und die Bremer Sportjournalisten können's kaum fassen. So was hat's noch nie gegeben: Ein Trainer, der Fragen beantwortet, der sich nicht in Phrasen ergeht, der Klartext redet.

Ein mageres 1:1 hat man soeben gegen den MSV Duisburg geschafft, Werder klebt damit immer noch auf dem vorletzten Tabellenplatz. Und Magath (44) doziert. Daß es seiner Mannschaft immer noch an Selbstvertrauen mangelt, daß sie zu verhalten gespielt hat, daß es eine Halbzeit gedauert hat, bis sie endlich aufgewacht sei. Knapp, präzise. Zug um Zug, so redet Magath über die Lage, und Zug um Zug verändert er sie.

So was hat's schon lange nicht mehr gegeben: Ein Trainer, von dem man den Eindruck haben kann, daß er einen Plan hat, eine Idee von Fußball. Endlich mal wieder. Trotz des mageren 1:1 beim HSV, des mageren Remis gegen Duisburg und des mageren 3:2 über Düsseldorf im DFB-Pokal.

Endlich scheint die Werder- Lethargie überwunden. „Endlich ist wieder Feuer drin“, freut sich Jens Todt. Selbst wenn morgen in Marseille das Ausscheiden aus dem Uefa-Cup folgen sollte: Das hat mit seiner letzten Amtshandelung, einem 1:1 im Hinspiel, noch Vorgänger Sidka vorbereitet. Anderthalb Wochen Arbeit mit Magath hat die Mannschaft nun hinter sich. Anderthalb Wochen Training um neun statt um zehn, Nachholprogramm in Sachen Fitneß und neuer Ordnung. Gerne auch mal mehr als zwei Stunden lang.

Zug um Zug, und plötzlich geht der notorische Bankdrücker Sven Benken als zweikampfstärkster Bremer beim Spiel gegen die Duisburger vom Platz. Plötzlich wird Juri Maximow, der sich in den letzten Wochen noch mit Andreas Herzog einen packenden Zweikampf um die Krone des Fehlpaßkönigs geliefert hat, erst zum passablen Aushilfslibero für den gesperrten Trares und dann zum Mittelfeldmotor. Plötzlich darf Jens Todt die ungeliebte Manndeckerposition verlassen und wie ehedem in Freiburg im Mittelfeld kurbeln. Und plötzlich wirbelt sich der vormals bindungslose Bogdanovic im Werder-Angriff zum besten Mann auf dem Platz.

Bogdanovic war es auch, der in der 73. Minute nach einem Zuckerpaß von Maximow zum 1:1 ausglich. Und was für Chancen hatten die Werderaner da schon vergeben, und wie viele vergaben sie noch! Maximow, Bognadovic und immer wieder Marco Bode versemmelten entweder klare Einschußgelegenheiten oder sie scheiterten am prächtigen Duisburger Torsteher Thomas Gill. Schlechte Chancenverwertung, das alte Bremer Leiden hat auch der neue Trainer noch nicht abstellen können. Und ein zweites schon gar nicht: Wieder einmal haben sich die Werderaner ein haltbares Gegentor eingefangen. Wie schon gegen Leverkusen, wie schon beim HSV. Bei einem Freistoß von Jörg Neun stand Keeper Frank Rost weit vor der Torlinie. Zu weit – und der Ball senkte sich hinter ihm ins Lattenkreuz.

Schon gehen die Gerüchte, Magath würde sich um den degradierten Stuttgarter Torwart Franz Wohlfahrt bemühen. Das würde passen. „Wir fangen bei Null an“, hatte der Neue bei Amtsantritt erklärt. Eben auch bei null Stammplatzgarantie.

Der Brasilianer Ailton, gerade noch von Ex-Trainer Sidka für mehr als fünf Millionen Mark nach Bremen gelockt, hat unter Magath noch keine Minute gespielt. Bei den Spielen gegen den HSV und Düsseldorf saß er auf der Tribüne, am Samstag wenigstens schon auf der Bank. Der Grund ist schlicht und typisch Magath: Ailton ist, Millionen hin, Millionen her, zu fett und nicht fit genug. Aber das kriegt Magath auch noch in den Griff. Notfalls durch mehr als zwei Stunden Training. Zug um Zug.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen