: Rußlands zeigt wieder mehr Staat
■ Ministerpräsident Primakow verkündet ein Anti-Krisen-Paket, das den IWF auf die Palme bringen dürfte: Preiskontrollen und kräftig Rubeldrucken. Liberale Politiker sprechen inzwischen vom Ende der russische
Moskau (AFP/taz) – Ungeachtet der Empfehlungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) setzt die russische Regierung beim Kampf gegen die katastrophale Wirtschafts- und Finanzlage auf mehr staatliche Eingriffe, eine deutliche Erhöhung der Ausgaben und die Ankurbelung der Notenpresse. Ministerpräsident Jewgeni Primakow stellte am Wochenende einen Maßnahmenkatalog vor, der unter anderem Preiskontrollen für eine Reihe von Grundnahrungsmittel und Medikamente vorsieht. Finanzminister Michail Sadornow kündigte im Fernsehen an, der Staat werde bis Ende des Jahres „ein wenig mehr als 20 Milliarden Rubel“ (rund zwei Milliarden Mark) drucken, um die Gehälter im öffentlichen Dienst zahlen zu können. Mehrere liberale Politiker sprachen von einem Ende der liberalen Reformen in Rußland.
„Wir müssen strikte Maßnahmen zur Regulierung der Wirtschaft ergreifen“, sagte Primakow, „und die Rolle des Staates stärken.“ Rußland ist halt nicht so brav wie etwa Brasilien, wenn es um die Einhaltung der IWF-Auflagen geht. Primokow wurde da ganz deutlich: Mit bestimmten Vorstellungen des IWF sei die Regierung „absolut nicht einverstanden“. Die IWF-Experten hätten die Rolle des Staates bei der Lösung der Krise nicht erkannt. An der Marktwirtschaft wolle Rußland jedoch festhalten, versicherte Primakow.
Es werde von der Regierung nicht mehr Geld gedruckt und auf den Markt gebracht als vertretbar, behauptete der Ministerpräsident. Die Ankurbelung der Notenpresse würde so gesteuert, daß „ernsten Komplikationen“ ausgeschlossen sein. Die Zeitung Sewodnaja bezifferte allerdings den Wert der neu zu druckenden Geldscheine auf 200 Milliarden Rubel (rund 20 Milliarden Mark), was rund zehnmal mehr wäre, als der IWF gebilligt hatte und nach Ansicht westlicher Experten zu einem starken Anstieg der Inflation führen müßte.
Zu den verstärkten Eingriffen des Staates gehören neben den Preiskontrollen mehr soziale Hilfen für Bedürftige, die Zahlung der Gehälter im öffentlichen Dienst und der Renten sowie eine deutliche Entlastung der Unternehmen von Steuern und Abgaben. Der Rubelkurs soll jedoch weiterhin frei dem Finanzmärkten überlassen werden, für staatliche Eingriffe fehlen der Notenbank ohnehin die Devisen. Die bis zum Ende des Jahres vorgesehenen größeren Privatisierungsvorhaben wurden zurückgestellt.
Das Krisenpaket sieht vor, die Einkommen-, Mehrwert- sowie Unternehmenssteuern schrittweise zu senken. Wirtschaftsminister Andrei Schapowaljanz kündigte an, daß die Regierung die Inflation für 1998 auf monatlich 5 Prozent sowie für 1999 auf insgesamt 30 Prozent begrenzen wolle. Diese Zahlen bezeichnete der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Dimitri Wassilijew, als Wunschvorhaben. Für den frühere Finanzminister Alexander Liwschits sind die liberalen Reformen mit dem Maßnahmenpaket Primakows endgültig tot. Er gehe von einer sechsjährigen „Pause“ der Reformen aus, sagte er gestern.
Der IWF prüft zur Zeit, ob die Bedingungen zur Auszahlung eines Kredits in Höhe von 7 Milliarden Mark gegeben sind, der seit September eingefroren ist. Am Donnerstag war allerdings ein IWF-Team aus Moskau ohne Zusagen wieder abgereist. urb
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