: UN-Inspekteure im Irak arbeitslos
Solange das UN-Embargo nicht aufgehoben ist, verbietet Iraks Staatsführung den Spezialisten, Waffen zu suchen. Der Sicherheitsrat verurteilt Bagdad einstimmig ■ Von Karim El-Gawhary
Kairo (taz) – Iraks Staatsführung hat die Zusammenarbeit mit den Waffeninspekteuren der UN- Sonderkomission Unscom aufgekündigt. Nach einer gemeinsamen Sitzung des Revolutionsrates und der herrschenden Baath-Partei unter Vorsitz Saddam Husseins hieß es am Samstag aus Bagdad, die 120 im Land stationierten Unscom- Mitarbeiter dürften ihrer Tätigkeit nicht mehr nachgehen. Zwar wurden die Experten nicht offiziell ausgewiesen, jedoch erklärte Iraks UN-Vertreter Nisaar Hamdun: „Sie müssen abgezogen werden. Das impliziert die Erklärung.“ Der UN-Sicherheitsrat verurteilte Iraks Schritt gestern einstimmig als „offenkundige Verletzung“ seiner Resolutionen. US-Verteidigungsminister William Cohen brach eine Asien-Reise ab. Auf die Frage, ob ein Angriff auf Irak geplant sei, sagte er: „Alle Optionen sind offen.“
Die Entscheidung aus Bagdad ist ein neues Manöver in einem von Konflikten rund um die UN-Waffeninspektionen gezeichneten Jahr. Im Februar hatte die Weigerung Saddam Husseins, seine Präsidentenpaläste inspizieren zu lassen, fast zum Krieg geführt. Auch nachdem UN-Generalsekretär Kofi Annan dies in letzter Minute mit einer Reise nach Bagdad verhindert hatte, war die Krise nicht beendet. Irak hatte zwar zugestimmt, die Arbeit der Inspekteure nicht mehr zu behindern, von Annan aber die Zusage erhalten, daß die UNO sich ernsthaft mit einem möglichen Ende der nach dem Einmarsch in Kuwait verhängten Sanktionen auseinandersetzt.
Dieses Abkommen sorgte bis zum Sommer für relative Ruhe. Selbst Berichte des obersten Unscom-Inspekteurs, Richard Butler, im Juni, irakische Raketensprengköpfe seien mit dem Nervengas VX ausgerüstet gewesen, störten den relativen Frieden kaum. Erst zur turnusgemäßen Überprüfung der Sanktionen durch den UN-Sicherheitsrat schlugen die Wogen höher. Erwartungsgemäß hatte Saddam Hussein den Termin genutzt, um die Lage weiter eskalieren zu lassen. Anfang August kündigte er das Ende der Zusammenarbeit mit den UN-Inspekteuren an. Fortan durften nur bereits inspizierte Anlagen weiterhin untersucht werden.
Die USA verhielten sich überraschend still. US-Außenministerin Madeleine Albright wies die UN-Inspekteure sogar an, Überraschungsinspektionen zu unterlassen. Beobachter vermuteten dahinter einen vorsichtigen Versuch, das Verhältnis der USA zum Irak zu normalisieren.
Innerhalb der Unscom rumort es. Der US-Amerikaner Scott Ritter, einer der umstrittensten UN- Inspektoren, trat im August zurück und warf den USA vor, nicht konsequent genug gegen die irakische Führung vorzugehen. Wenig später warf Bagdad Unscom-Mitarbeitern vor, für Israel spioniert zu haben. Im Gegenzug für wichtiges Ausrüstungsmaterial seien von US-Spionageflugzeugen gemachte Fotos irakischer Rüstungseinrichtungen in israelische Hände gelangt.
In der vergangenen Woche veröffentlichte die UNO dann die Ergebnisse der Untersuchung von Proben aus irakischen Raketensprengköpfen, die im Juli an französische und Schweizer Labors gesandt worden waren. Laut Unscom-Chef Butler ergaben die Untersuchungen, daß die Sprengköpfe einst mit dem Nervengas VX gefüllt waren. Das Laborresultat war allerdings zweideutig. Laut französischer Labors enthielten einige der Sprengköpfe ein Zerfallsprodukt, daß mit VX in Zusammenhang stehen könnte. Außerdem seien Spuren einer Chemikalie gefunden worden, die möglicherweise zur Entgiftung der Sprengköpfe benutzt wurde.
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