: 4000 Mark für ein Schlückchen Wein
■ Darf's ein Drachenauge sein? Hamburg ist die Hochburg für Weinliebhaber
Hamburg ist die heimliche Hauptstadt der Weinliebhaber. „Es gibt keine Stadt in Deutschland, in der es soviele private Weinkeller mit einem Bestand gibt, der jeweils weit jenseits von 250.000 Mark liegt“, berichtet der Experte und Journalist Mario Scheuermann. Seit Mitte der 80er Jahre bereitet Scheuermann mit Weinsalons und -Verkostungen in der Hansestadt den Boden für guten Wein aus aller Welt. Von Donnerstag bis Sonntag werden bei seinem „The Grand Master Tasting“ wieder Elite-Winzer aus Australien, Deutschland, Frankreich, Italien, Neuseeland, Österreich, Spanien und den USA ihre besten Tropfen präsentieren.
Auch viele der rund 1500 hanseatischen Restaurants – als einzige deutsche Stadt kann Hamburg acht Freßtempel mit Michelin-Sternen aufweisen – und Hotels legen Wert auf hochwertige Weinkollektionen. Allen voran das Hamburger Traditionshotel „Vier Jahreszeiten“. Dort setzt Sommelier Rakhshan Zhouleh alles daran, den größten und bedeutendsten Weinkeller Deutschlands zu schaffen. Ausgestattet mit einem Kaufetat von etwa 1,2 Millionen Mark hat er innerhalb der vergangenen vier Monate die Zahl der eingelagerten Flaschen von ein paar Tausend auf 40.000 und die der Sorten von 300 auf rund 1500 Positionen gesteigert.
„Mein Ziel sind 70.000 Flaschen“, sagt der 38 Jahre alte Iraner, dessen Wunschliste 3500 Sorten umfaßt. Unter den Weinen aus 18 Ländern, die man auf Zhoulehs Karte findet, sind auch „exotische“ aus China – aus der „Drachenaugen“-Traube – oder dem Libanon. Die älteste Flasche in seinem Weinkeller ist ein Bordeaux aus dem Jahr 1898, die teuerste, eine Trockenbeerauslese aus dem Jahr 1921, kostet 21.000 Mark.
Geld spielt keine Rolle, wenn Weinliebhaber auf der Suche nach neuen Gaumengenüssen besonders edle Tropfen verkosten. So hatte jüngst einer die Idee, einen Baron Rothschild „Lafite“ von 1811, von dem es nur noch zwei Flaschen auf der Welt geben sollte, selbst zu trinken statt ihn auf eine Auktion zu geben. Um dies finanzieren zu können, fanden sich 24 Weinverrückte zusammen, die 4000 Mark für den einmaligen Schluck zahlten. „So etwas gibt es alle Nase lang. Die Hamburger haben etwas britisches und damit eben auch etwas spleeniges“, meint Scheuermann.
Andreas Schirmer
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