: Der Zuckerschock
■ Diabetiker-Zentrale soll geschlossen werden, Betroffene demonstrieren heute
Für Hamburgs Diabetiker hat die Nachricht den Charakter eines Zuckerschocks. Zum Jahresende soll die Diabetiker-Zentrale an der Hammerbrookstraße wegen eines Jahresdefizits von 600.000 bis 700.000 Mark geschlossen werden. Das beschloß der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK), der die Diabetiker-Zentrale mit ambulanter Behandlung und Schulung von Diabetikern sowie dem Labor für Bluttests seit Jahren betreibt.
Doch die rund 100.000 zuckerkranken Menschen in der Hansestadt, von denen viele in der Selbsthilfegruppe „Deutscher Diabetiker-Bund“ organisiert sind, wollen sich damit nicht abfinden. Heute morgen um 9.30 Uhr demonstrieren sie vor dem Krankenhaus Bethanien in der Martinistraße, wo ein Fachgespräch zwischen Medizinern zur Situation der Diabetes-Versorgung in Hamburg stattfindet.
„Wir werden im Stich gelassen“, klagt Lorenz Harms, Vorsitzender der Selbsthilfegruppe. 1200 Patienten jährlich hätten die neun Angestellten im Diabetiker-Zentrum bislang behandelt. Sie alle stünden nun auf der Straße, denn: „In Hamburg gibt es neben dem Diabetiker-Zentrum nur zwölf kompetente Einrichtungen, das reicht nicht.“
Die Hamburger Verbände der Ersatzkassen (VdAK/AEV), die die Zentrale bislang über ihren Medizinischen Dienst finanzierten, bedauern die Schließung, sehen aber keinen Ausweg. Über Jahrzehnte hatten die Krankenkassen eine Fallpauschale an den Medizinischen Dienst gezahlt, mit der die Diabetiker-Station finanziert wurde. Spitzfindige Juristen erklärten diese Abrechnungsweise für ordnungswidrig. Die Fallpauschale fiel weg, das Defizit kam.
Der Versuch der Kassen, die Leistungen der Diabetiker-Zentrale über die Kassenärztliche Vereinigung (KV) abzurechnen, scheiterte. Die weigerte sich, dem Zentrum die dazu nötige Ermächtigung zu erteilen. Hintergrund ist, daß die KV nur über ein bestimmtes Budget verfügt, mit dem ihre niedergelassenen Ärzte auskommen müssen. Je mehr Einrichtungen daran teilhaben, desto geringer der Gewinn des Einzelnen. Im übrigen, so die Pressestelle der KV gestern zur taz, „ist die diabetische Versorgung in Hamburg durch Ärzte und Krankenhäuser sichergestellt“. hh
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