: Bremen ist billigteuer
■ Wer vergleicht, wie teuer Bibliotheken, Müllabfuhr oder Hundesteuer in den Städten sind, verheddert sich leicht in der Statistik: ffn und Steuerzahlerbund widerfuhr dies
Die Bremer BürgerInnen tragen schwer an ihren „Zwangsabgaben“. Das ist das Ergebnis eines entsprechenden Städtevergleichs von Radio ffn und dem Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen. Eine jüngst erschienene Tabelle mit den Zwangsabgaben führt die Hansestadt mit 2.117,29 Mark pro Jahr an. Diese Kosten beziehen sich auf Grundsteuer, Hundesteuer, Abwassergebühr, Frischwasserpreis und die Straßenreinigungsgebühr. Erhoben wurde dies für eine dreiköpfige Familie in allen 19 Städten Niedersachsens mit mehr als 50.000 EinwohnerInnen sowie Bremen und Bremerhaven.
Dabei sind ffn und der Bund der Steuerzahler von folgenden Annahmen ausgegangen: Die dreiköpfige Familie mit Hund und einem monatlichen Brutto-Einkommen von 5.000 Mark bewohnt ein Einfamilienhaus. Das Kind besucht einen Halbtagsplatz in einer städtischen Kita. Die Familie besitzt zudem eine Straßenbahn-Monatskarte und besucht einmal die Woche die Innenstadt mit dem Auto, was Parkgebühren verursacht. Ferner besitzt ein Familienmitglied einen Bibliotheksausweis und nimmt bei der VHS an einem Spanischkurs teil. Letzteres wird aufgeführt unter „freiwillige Leistungen“.
Bei diesem Vergleich schneidet Bremen mit dem zweitbesten Platz ab. Im Vergleich zu den Städten mit mehr als 200.000 Einwohnern ist Bremen mit seinen jährlichen 2.092,50 Mark Spitze – obwohl die Pro-Kopf-Verschuldung die Höchste ist und der Anreiz zu höheren Gebühren vorhanden wäre. Hannover bittet seine BürgerInnen dabei am meisten zur Kasse. Dort sind 3.149,10 Mark fällig.
Doch spätestens bei diesem Vergleich zeigt sich, auf wie wackligen Beinen der gesamte Vergleich steht. Sind ffn und der Bund der Steuerzahler doch zusätzlich davon ausgegangen, daß die zwei Elternteile der holden Durchschnittsfamilie an einem Samstag geheiratet haben. Das kostet in Bremen – neben den bundeseinheitlichen Gebühren – keinen Pfennig mehr. Hannover verlangt dagegen 500 Mark – und liegt plötzlich an der Spitze der „freiwilligen Leistungen“. Und das, obwohl in einigen Städten das Heiraten an Samstagen gar nicht möglich ist. Genauso berechnet Hannover mit 160,20 Mark das Zehnfache für die Straßenreinigung wie etwa Lingen. Wieder hat die niedersächsische Landeshauptstadt schlechte Karten. Berechnet Bremen dafür doch gar nichts – schlägt dafür aber bei der Grundsteuer B schwer zu.
Alles in allem darf der Vergleich also nicht allzu ernst genommen werden. Das räumt selbst Frank Hesse vom Bund der Steuerzahler ein. Man habe vor allem Tendenzen aufzeigen wollen. Doch selbst das ist nicht gelungen. Denn die These, „Großstädte sind teurer“, bewahrheitet sich im Gesamtergebnis auch nicht. Hannover liegt zwar auf dem Spitzenplatz. Doch Salzgitter, mit einem Fünftel der Einwohnerzahl, hätte ebenfalls Ambitionen dort zu landen. Nur kann man in dieser Stadt nicht bei einer Samstagshochzeit 500 Mark loswerden. Bremen gammelt übrigens als Großstadt auf Platz 13 herum.
Dennoch zieht Hesse vom Bund der Steuerzahler ein Fazit: „Die Kommunen berechnen ihre Abgaben höchst unterschiedlich. Dies geschieht aber beim besten Willen nicht immer zum Wohle der Bürger.“ Hesse fordert darum eine Abgabenreform. Beispiel: Hannover und Hildesheim setzen bei Abschreibungen den Wiederbeschaffungswert an, der aussagt, was der aktuelle Neubau etwa einer Kläranlage kosten würde. „Mit dieser Methode werden die Bürger aber über Gebühr belastet“, klagt Hesse. Andererseits würden sonst nach dem Bau einer Kläranlage immense Folgegebühren entstehen. Daher dürfte der wichtigste Schluß aus der aktuellen Erhebung sein: „Die Kommunen müssen vor allem diese Gebührenzahlungen in den Vermögenshaushalt einstellen. In vielen Städten werden diese Rückstellungen im aktuellen Haushalt verfrühstückt“, so Hesse. Steht dann ein Neubau an, zahlen die BürgerInnen diesen zum zweiten Mal über hohe Gebühren. Jens Tittmann
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