: Und in jeder Nacht lockt ein anderes Parkett
■ Wo die Berliner Tangoszene die Hüften schwingt: Locations für Anfänger und Insider
Die Veranstalter legen viel Wert auf Flair und Ausstrahlung ihrer Austragungsorte, weshalb die Schwofs auch gern als Bälle oder Salons bezeichnet werden. Man scheut sich nicht, ein wenig zu dekorieren, Tische aufzustellen, wo sonst keine stehen und eine Tanzfläche freizuräumen. Man hat es gern plüschig. Und kann sich gar nicht vorstellen, daß sich an allen anderen Wochentagen dort vielleicht die eher kühle Techno- oder House-Szene versammelt.
Im Estudio Sudamerica gibt es jeden Sonntag einen offenen Übungsball für alle. Oder man geht ins B-Flat, eine Bar, die an den anderen Abenden der Woche eher Jazzkonzerte bevorzugt. An Montagen pflegt jeder Normalsterbliche eigentlich zu Hause zu bleiben, um sich vom Wochenende zu erholen. Nicht so die Hartgesottenen der Tangoszene: Sie bemühen sich ins Fliegende Theater, einer schönen Location mit intimer Atmosphäre. Dienstags wird in der vergleichsweise kargen Kalkscheune getanzt. Der Ort ist bei den Tänzerinnen und Tänzern beliebt, es ist zumindest immer bumsvoll. Selbst stolpernde Anfänger wagen hier im Gedränge ihren Hüftschwung.
Der Mittwoch ist jedem Tangero heilig, spätestens seit der Rote Salon in der Volksbühne zum Tango lädt. Gedämpftes rotes Licht und weiche Sofas an der Tanzfläche schaffen eine heimelige Atmosphäre. Das Publikum ist etwas jünger als an anderen Tanzveranstaltungen, kann aber deshalb nicht unbedingt schlechter tanzen. Der Donnerstags-Ball im Grünen Salon der Volksbühne ist zwar auch schön, doch etwas weniger besucht. Freitags trifft man sich im schönen Spiegelsaal des Walzerlinksgestrickt, ein Veranstaltungsort, der auch gern mal als „Eierschale des Tangos“ bezeichnet wird. Das Publikum ist im Durchschnitt zwischen dreißig und vierzig Jahre alt und kommt her, um Kontakt zu knüpfen. In einem Raum, lediglich durch eine Glasscheibe von der Bar separiert, kann unter professioneller Anleitung noch ein bißchen geübt werden, bevor es raus, aufs richtige Parkett geht. Am Samstag locken gleich mehrere Events: So gibt es die Noche de Tango mit argentinischem Ambiente im TriaLit und die Tangonacht im Ballhaus. Beliebt ist auch der Meistersaal oder das Bebop, in dem die Tanzschule Tango Vivo ihren Ball veranstaltet.
Die Tanzszene ist ständig in Bewegung: Die besseren Tänzer zieht es meist dorthin, wo sich die Masse gerade nicht herumtreibt, und die Tanzfläche im Ruf steht, ein wenig leerer zu sein als andernorts. Wie in allen engeren Zirkeln ist man gern unter Seinesgleichen und wird nicht gern von Laien angerempelt. Spricht sich hingegen herum, wo sich diese Zirkel gerade aufhalten, kann die Lage in der darauffolgenden Woche schon wieder ganz anders sein.
Im Sommer werden auch Open- air-Bälle veranstaltet, deren Austragungsort und -zeit nur Tango- Insidern bekannt ist. Bevorzugte Locations sind zum Beispiel die Kollonaden an der alten Gemäldegalerie auf der Museumsinsel oder die Freifläche an der Nationalgalerie. Kirsten Niemann
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