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Wahlsieg für Makedoniens Nationalisten

Die bislang regierenden Sozialdemokraten unterliegen auch bei der zweiten Runde der Parlamentswahlen. Jetzt sieht alles nach einer Regierungskoalition von albanischen und makedonischen Nationalisten aus  ■ Aus Skopje Erich Rathfelder

Jubelnde Menschen zogen in der Nacht zu gestern durch das Zentrum von Skopje. Denn schon zu diesem Zeitpunkt wurde klar, daß die makedonische Nationalistenpartei (VMRO) auch in der zweiten Runde der Parlamentswahlen den Sieg über die makedonischen Sozialdemokraten davongetragen hatte. Die „Innere Makedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für die makedonische Nationale Einheit“ (VMRO-DPMNE) erreichte mit dem Bündnispartner „Demokratische Alternative“ (DA) unter Vasil Tupurkovski 58 des 120 Sitze umfassenden Parlamentes. Damit wurde die absolute Mehrheit knapp verfehlt.

Die unterlegene „Sozialdemokratische Allianz“ kam nach noch inoffiziellen Ergebnissen auf 29 Sitze, ihre Bündnispartnerin, die größte Albaner-Partei, „Partei für die Demokratische Prosperität“ (PDP), errang 14 Sitze. Die Besetzung eines Sitzes war zum Redaktionsschluß noch offen. Die kleineren Parteien, die „Liberaldemokratische Partei“ (LDP) (4 Sitze), die „Sozialistische Partei Makedoniens“ (SPM) (2 Sitze) und die „Allianz der Roma in Makedonien“ (1 Sitz) werden trotz der numerischen Möglichkeiten für die neue Regierungsbildung wahrscheinlich keine Rolle spielen.

Schon vor den Wahlen hatte die Führung der VMRO unter dem wahrscheinlich neuen Regierungschef Ljupco Georgievski eine Koalition mit der zweitstärksten Albaner-Partei erwogen. Die sich seit kurzem „Albanische Demokratische Partei“ (PDSH) nennende Partei erreichte unter Arben Xhaferi 11 Sitze. Damit könnte überraschenderweise eine Koalition aus makedonischen und albanischen Nationalisten Gestalt annehmen.

Noch bis zuletzt hatten westliche Diplomaten auf einen Sieg der Sozialdemokraten gehofft. Denn die Regierung unter Branko Crvenkovski hatte sich in den letzten Monaten während der Kosovokrise als verläßlicher Partner erwiesen. Die Sozialdemokraten, die mit der albanischen PDP 1994 eine Koalition eingegangen waren, standen für Neutralität und gute Beziehungen zu den Nachbarn Albanien, Bulgarien, Jugoslawien und Griechenland. In ihrer Regierung sah vor allem der US-amerikanische Botschafter und Kosovo- Vermittler Christopher Hill einen Garant für den Fortbestand des Staates Makedonien.

Mit dem Kosovo-Konflikt hatten sich auch in Makedonien die Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen verschärft. Die albanische Bevölkerung, die über 30 Prozent der Gesamtbevölkerung stellt, kam auch wegen interner Konflikte in Bewegung. Nach einem Streit um das Hissen der albanischen Flagge wurden im Herbst letzten Jahres zwei Bürgermeister albanisch dominierter Städte zu Haftstrafen verurteilt. Im Gegenzug versuchten albanische Gruppen, die „Kosovo-Befreiungsarmee“ (UCK) zu unterstützen. Stärker als zuvor forderten die albanischen Parteien im Frühjahr Bürgerrechte und Gleichberechtigung sowie die Anerkennung der albanischen Universität von Tetova. Im Hintergrund blieb die Drohung, sonst nach einer Vereinigung der Albaner-Gebiete mit Albanien zu streben.

Mit Rücksicht auf die eigenen Wahlchancen versäumten es die Sozialdemokraten, unter Makedoniern unpopuläre Konzessionen an die Albaner zu machen. Da die Albaner-Partei PDP aber kaum Erfolge vorzuweisen hatte, wurde die Konkurrenz immer stärker. Angesichts des Drucks der Nato auf Serbien und der stärkeren internationalen Präsenz in Makedonien selbst jedoch wurden die Weichen in eine andere Richtung gestellt. VMRO und die Xhaferi-Partei nahmen Kontakt auf. Die Koalition der Nationalisten könnte die Lage sogar beruhigen, denn die VMRO kann Konzessionen an die Albaner eher durchsetzen als die Sozialdemokraten. Kritiker sehen noch einen anderen Aspekt: Die Nationalparteien würden sich langfristig auf eine Teilung des Landes in Interessensphären einigen. Kommentar Seite 12

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