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Streik im Himmel über Paris

Der Weg auf den Eiffelturm ist versperrt: Die Beschäftigten verlangen von der Unternehmensleitung die versprochene zusätzliche Einstellung von Vollzeitbeschäftigten  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

„Eiffelturm geschlossen – Streik“, flimmert es in Leuchtschrift über Infotafeln der zweitgrößten Pariser Attraktion. Die TouristInnen aus aller Welt lassen sich durch die knappe Mitteilung nicht aufhalten. Sie streben weiter zu den Eingängen an den vier gußeisernen Pfeilern. „Achtung“ können sie da auf Postern lesen, die die Streikenden in alle mögliche Sprachen übersetzt haben: „Wir wollen Personen mit Ganzzeitarbeitsplätzen, die Direktion will nur Halbzeitarbeitsplätze.“

Die 319 Meter weiter nach oben in den Pariser Himmel schaffen die TouristInnen nicht. Die 200 Beschäftigten des Eiffelturms haben seit Freitag die Beförderung eingestellt, Kassen und Treppen gesperrt. Grund ihres Ärgers: Die Direktion der Eiffelturmgesellschaft hat zwar ihre Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden verkürzt, nicht aber die versprochenen zusätzlichen Arbeitsplätze eingerichtet.

Seit dem 1. April, als im Eiffelturm – lange vor Ablauf der gesetzlichen Frist – die kürzere Wochenarbeitszeit eingeführt wurde, wurde keine Vollzeitbeschäftigten neu eingestellt. Statt dessen sitzen nun in den Mittagspausen Teilzeitkräfte an Kassen und in Aufzügen. Es sind StudentInnen, die sich mit 14 bis 15 Arbeitsstunden in der Woche ein Zubrot verdienen.

Für die MitarbeiterInnen im Eiffelturm sind diese neuen Stellen „keine Beschäftigung, sondern Pausenvertretungen“. Jahrelang hat ihr Betriebsrat mit der Direktion über Arbeitszeitverkürzung verhandelt und dafür auch Einbußen in Kauf genommen. „Wir wollten die 35-Stunden-Woche“, sagt CGT-Vertreter Yan Leloir, „aber im Gegenzug verlangten wir zusätzliche Arbeitsplätze.“

Da die neuen Arbeitsplätze nicht kamen, sind mehr als 90 Prozent der Beschäftigten im Turm, aufgerufen von den verschiedenen Gewerkschaften, in den Streik getreten. Auch die StudentInnen mit den neuen Vertretungsjobs machen mit. Täglich warten sie im Westpfeiler des Eiffelturms auf Gesprächsangebote der Direktion. Die direkte Konfrontation mit den TouristInnen vermeiden sie. „Manche sind von weither angereist, da wollen wir keine emotionalen Auseinandersetzungen riskieren“, sagt einer.

Die Leitung des zur Stadt Paris gehörenden Unternehmens zeigte bisher keinerlei Kompromißbereitschaft. Personalchef de Baillencourt glaubt, mit der Schaffung von „unbefristeten Teilzeitstellen“ genug getan zu haben.

Doch die Streikenden sind zuversichtlich. Weil „der Eiffelturm das Wahrzeichen dieser Stadt ist“. Und weil es in diesem Weltmeisterschaftsjahr mit sechs Millionen TouristInnen mehr BesucherInnen als je zuvor gab.

109 Jahre nach seiner Eröffnung ist der Eiffeltum wieder einmal ins soziale Gerede gekommen. Gegenüber Paris' erster TouristInnenattraktion hat er damit Gleichstand erreicht. Denn auch in Eurodisneyland mußten die TouristInnen im vergangenen Sommer ungesehener Dinge abziehen. Die Mickeymäuse hatten die Dienstkleidung ausgezogen, um für bessere Löhne zu demonstrieren.

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