Kommentar
: Nebel im Kanal

■ Tony Blair droht in Europa dieselbe Isolation wie einst John Major

Das hatte Tony Blair gerade noch gefehlt. Unter den Konservativen saß Großbritannien jahrelang am rechten Rand der EU, ein ständiger Nörgler und Skeptiker sogar gegenüber Helmut Kohl. Nun regiert in London endlich Labour – und schon wieder findet sich Großbritannien ganz rechts, weil auf dem Kontinent inzwischen überall Sozialdemokraten herrschen, die aus britischer Sicht ungerührt alte Gewißheiten pflegen und noch dazu die Frechheit haben, ihre Wahlsiege auf den Erfolg von New Labour zurückzuführen.

Von London aus gesehen ist quer durch die EU, von Lafontaine über Jospin bis zu D'Alema, ein Rückfall in alte Zeiten zu beobachten, wo höhere Staatsausgaben, teure Konjunkturprogramme und staatliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen den Weg ins Glück weisen. Seit dem informellen EU-Gipfel in Österreich und der Vereidigung der rot-grünen Regierung in Bonn richtet die konservative britische Presse ein Sperrfeuer über den Kanal, das letztendlich auch dem Bewohner von Downing Street 10 gilt. Man warnt vor „Gefahren“ und „Linkswenden“, beschwört mit Oskar Lafontaine („ausgesprochen Old Labour“) die personifizierte deutsch-französische Achse und mahnt, einem solchen „Euro-Land“ dürfe Großbritannien sich auf keinen Fall anschließen. Wäre John Major noch immer britischer Premierminister, könnte er nun einen richtigen ideologischen Krieg um das bessere Europa führen nach dem Motto: Nebel im Kanal, Kontinent abgeschnitten.

Da Tony Blair aber unter keinen Umständen wie John Major auftreten will, bleibt der Manövrierraum für Labour zwischen roten Sirenenklängen aus Europa und konservativem Grollen im eigenen Land gering. Weil Nörgelei und Skepsis als unangebracht gelten, häufen sich proeuropäische Absichtserklärungen. Aber zugleich ist die britische Wirtschaft wachstumsmäßig schon wieder am europäischen Schlußlicht angelangt, was die Attraktivität von New Labour beträchtlich mindert. Wer jetzt in Deutschland wissen will, wie man Arbeitsplätze schafft, kann schwerlich auf Blairs Großbritannien gucken.

Keine britisch-deutschen Harmoniebekundungen können darüber hinwegtäuschen, daß Blair in Europa die ideologische Führung verloren hat. Für die anstehenden Auseinandersetzungen um die Zukunft Europas wäre ein konservativer Premierminister in Großbritannien besser gerüstet. Dominic Johnson