: Das Hörspiel „Ich bin wie ein lebender Stein...“ über die Autorin Anne Sexton
„Ich habe Phantasien, mich selbst zu töten, und deshalb Macht zu haben, nicht machtlos zu sein. Wie ist das? Neurotisch? Und ob!“ Corinna Harfouchs Stimme changiert zwischen Trunkenheit und panischer Angst. Sie spricht Fragmente aus den Gedichten und Briefen der amerikanischen Dichterin Anne Sexton, die Wolfgang Stockmann zu einem eindringlichen akustischen Porträt montiert hat.
Für Sexton war der Selbstmord eine Form der Masturbation, die Möglichkeit, den Schmerz auszutricksen in einem Leben, geprägt von den beiden Wünschen, dazuzugehören und nicht aus Versehen zu sterben. Sie setzte ihrem extremen Leben zwischen Erfolg, Glanz, Leere und Erregung am 4. Oktober 1974 ein Ende.
Der Regisseur spürt in der Ursendung „Ich bin wie ein lebender Stein ...“ diesen Lebensfacetten nach. Verschiedene akustische Räume sind mit den Kompositionen Vlatko Kucans, die von experimenteller Musik bis zum Blues reichen, angefüllt. Die grandiose Vortragskünstlerin unterstrich zu Lebzeiten die poetische Botschaft ihrer Lyrik durch das Sprechen zu Rhythmen, die in dieser Inszenierung einen chansonartigen Charakter bekommen. Corinna Harfouch zieht durch den Ausdruck von Verzauberung und Erotik, Verzweiflung und Tod den Hörer in den Lebensstrudel der Autorin. Die tiefen psychischen Abgründe werden durch die Komposition ins Gespenstische verrückt.
Anne Sexton war, wie sie es selbst ausdrückte, „bepackt mit Gaben“, die sie überhaupt nicht gewollt hatte. Sie führte ein Leben zwischen magischer Anziehungskraft und zerstörerischer Abhängigkeit. Aus dem Sterbezimmer der Mutter holte Sexton sich das Radio, das sie immer anstellte, wenn sie arbeitete. Sie schrieb: „Dieses Radio wird noch laufen, wenn ich sterbe – letzte Klänge.“
Iris Drögekamp
Übertragung: heute, 20 Uhr, NDR Radio 3, 99,2 MHz
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