■ Standbild: Islam hin oder her
„37 Grad: Kopftuch und Minirock – Junge Türkinnen zwischen Koran und Karriere“, Di., 22.15 Uhr, ZDF
Ächz. Schon wieder ein Film über junge Türkinnen – ihre Träume, ihre Probleme... Ist der leidlich voyeuristische Doku-Blick unters Kopftuch wirklich so spannend? Der Titel jedenfalls ließ kein Klischee aus, die Anmoderation Schlimmes befürchten: „Sie leben mitten unter uns und doch in einer anderen Welt.“ Ein Harem voller Aliens also?
Die Wirklichkeit ist profaner. Die Filmemacherinnen Jana Matthes und Andrea Schramm haben drei türkische Mädchen aus Berlin ein halbes Jahr über mit der Kamera begleitet – zwei Schwestern, die religiös sind und ein Kopftuch tragen, und eine Freundin, die das nicht tut. Und siehe da, ihr Alltag ist so anders nicht: Man sieht die drei bei der Abi-Feier und beim Tratsch in der Küche, die „moderne“ Meriyem beim Szenefriseur und, mit Familie, im türkischen Restaurant, die Kopftuch- Schwestern beim Türkei- Urlaub am Schwarzen Meer. Hin- und hergerissen „zwischen Koran und Karriere“ sind alle drei nicht. Und angebahnte Verlobungen lösten die gläubigen Schwestern sogar auf, weil ihnen ihr Studium wichtiger war. Für die im Dorf aufgewachsene Mutter wäre eine solche „Entlobung“ noch undenkbar gewesen – Emanzipation auch mit Kopftuch.
Interessant ist daher weniger der augenfällige Kontrast zwischen Gülsens Kopftuch und Meryems Minirock als der Konflikt beim Türkei- Urlaub der verschleierten Schwestern aus Deutschland. Denn der Bruder, der in der Türkei lebt, ist Muezzin und auf sittsame Zurückhaltung seiner Schwestern bedacht. Doch die lassen sich das – Islam hin oder her – nicht gefallen. Berliner Stadtluft macht eben frei – auch mit Kopftuch. Daniel Bax
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