: Heinz Rühmann revisited
■ Nostalgisch und liebevoll Seemannsgarn spinnen: „Liebe Lüge“, der neue Film des „Kondom des Grauens“-Regisseurs Martin Walz
Die knallrote Sonne steigt mit affenartiger Geschwindigkeit über dem Meer auf: Ein Blitzstart, der aber keineswegs das Tempo dessen vorgibt, was nun folgt. Denn „Liebe Lüge“, der neue Film des „Kondom des Grauens“-Regisseurs Martin Walz, ist ein Märchen; ein Film, der nostalgisch sein Seemannsgarn spinnt, und dazu gehört nun mal, das weiß man ja von Käptn Blaubär, daß so eine Geschichte liebevoll bis ins letzte Detail ausgemalt wird, und das braucht eben seine Zeit.
Der knallroten Sonne sind also erst einmal die knallgelben Dotter zweier knusprig gebratener Spiegeleier gegengeschnitten. Es ist Frühstückszeit für Benjamin (Bernd Michael Lade) und seinen Bruder. Der fährt zur See, wie der Rest der Familie. Für Benjamin hat er jetzt einen hölzernen Voodoo-Mann und eine fette Havanna mitgebracht. Denn Benjamin ist das schwarze Schaf der Familie. Erstens stimmt sein Name nicht, weil das alte Seemannslied von Jan, Hein, Klaas und Pitt keinen weiteren von dieser küstenträchtigen Sorte mehr hergab, und zweitens mußte er an Land als Wachmann bei einem Pfandleiher anheuern, da er an extremer Seekrankheit leidet. Bei richtiger Anwendung soll der karibische Holzmann den Bruder freilich von diesem Leiden heilen.
Vielleicht müßte Benjamin den Voodoo-Mann auch gegen seine Liebeskrankheit einsetzen. Denn Maria (Meret Becker), seine Angebetete, hat sich nur mit ihm eingelassen, um ihrem Freund Jack (Ralph Herforth) zu helfen, der mit seinen Spielschulden schwer in der Klemme steckt. Doch das weiß Benjamin natürlich nicht. Und so hilft er ganz freiwillig mit, den Pfandleiher um sein Geld zu erleichtern, das Jack aber leider nicht an die Mafiosi (Udo Samel und Peter Lohmeyer) weiterreicht.
Irgendwann kommt dann auch Maria drauf, daß ihr das falsche Spiel eigentlich gar nicht gefällt. Und am Ende erweist sich der Segen des Voodoo-Mannes bei der See- wie bei der Liebeskrankheit.
Auf dem Filmfest München wurde Michael Walz dieses Jahr mit dem Regieförderpreis der Hypobank ausgezeichnet. Zu Recht. Die Schauspieler agieren mit Lust und Liebe, die Hafensets und das Fischerstädtchen sind tatsächlich märchenhaft putzig. Und selbst wenn das superdoofe Gangsterpaar, das seit Thomas Jahns „Knockin on Heavens Door“ ein Standard des deutschen Filmschaffens wurde, inzwischen auch schon einen Hauch Betulichkeit ausstrahlt und Bernd Michael Lade ein bißchen zu viele Heinz-Rühmann-Erinnerungen weckt: Daß „Liebe Lüge“, der für das Fernsehen produziert wurde, nun im Kino läuft, geht voll in Ordnung. Brigitte Werneburg
Buch und Regie: Michael Walz, mit Meret Becker, Bernd Michael Lade, Peter Lohmeyer, Ralph Herforth u.a. D 1998, 89 min. Kinos und Zeiten siehe cinema-taz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen