: Der vergessene Held
■ Eine Bremer Initiative würdigt Hitler Attentäter Johann Georg Elser mit einer Veranstaltungsreihe und einer Ausstellung /Schirmherr: Hans Koschnick
Wenn vom Attentat auf Adolf Hitler die Rede ist, fällt sofort der Name Stauffenberg. Daß am 8. November 1939 im Münchener Bürgerbräukeller eine Bombe explodierte, die der Schreiner Johann Georg Elser gelegt hatte, ist in Vergessenheit geraten. Elser wollte den Krieg verhindern, doch die Bombe verfehlte Hitler um 13 Minuten. Elsers Name ist bis heute wenigen bekannt. Die Bremer „Georg-Elser-Initiative“, deren Schirmherr der ehemalige Bürgermeister Hans Koschnick (SPD) ist, hat sich mit einer Veranstaltungsreihe zum Ziel gesetzt, Elser bekannter zu machen. Die taz-Redakteurin Kerstin Schneider sprach mit Bernd Krause, dem Sprecher der Initiative, über den unbekannten Attentäter.
taz: Herr Krause, in Ihrem Prospekt, mit dem Sie die Veranstaltung zum Gedenken an den Attentäter Johann Georg Elser ankündigen, schreiben Sie, daß durch die Bombe „die Decke des Saales herabstürzt und das Rednerpult, an welchem Adolf Hitler noch 13 Minuten vorher gestanden hatte unter Schutt und Asche begräbt“. Die Decke hat außerdem noch acht Menschen, sieben NSDAP-Kämpfer und eine Kellnerin, unter sich begraben und getötet. 63 Menschen sind bei dem Attentat verletzt worden. Das ist Ihnen keine Erwähnung wert, und warum nicht?
Weil wir in einem Flyer für diese Problematik in dieser Tragweite auf einer Seite keinen Platz haben.
Klingt es nicht zynisch, wenn Sie angesichts der Tatsache, daß hier acht Menschen gestorben sind, schreiben, daß die Decke das Rednerpult begraben hat?
Sie finden das vielleicht zynisch. Zynisch wären wir, wenn wir den Tod dieser Menschen beklatschen würden.
Daß acht Menschen gestorben sind, gehört schlicht zu den historischen Fakten.
Wir haben ja kein Interesse daran, diese acht Personen zu leugnen. Wenn Sie ein Buch über 200 Seiten schreiben, können Sie im Vorwort auch nicht den ganzen Inhalt wiedergeben.
Die Opfer dieses Attentats gehören – bei allem Respekt für den Mut Elsers – aber zur Geschichte. Sie verschweigen die Opfer. Setzen Sie sich damit nicht dem Vorwurf aus, ihren Attentäter unkritisch zu glorifizieren?
Nein. Man muß auch sehen, daß es auf der anderen Seite noch viel mehr Opfer gab. 50 Millionen Menschen sind im Krieg durch die Schuld Hitlers ums Leben gekommen. Und das ist von Millionen Deutschen gestützt worden. Ich bin schon dafür, daß Elser glorifiziert wird. Er ist ein Held.
Wirft Elsers Attentat nicht trotzdem die Frage auf, ob Gewalt ein Mittel ist, politische Ziele durchzusetzen. Ihm hat die Geschichte im Nachhinein recht gegeben. Andere Attentäter werden verurteilt und geächtet.
Das ist eine ganz wichtige Frage. Darunter fällt auch die Diskussion um den militärischen Einsatz gegen den Diktator Milosevic und seine Anhänger. Auf der einen Seite steht das Völkerrecht und die Frage, ob man Eingreifen darf in die Geschehenisse eines Staates. Auf der anderen Seite steht das Menschenrecht. Kann ein Staat tatenlos zusehen, wenn ein anderer Staat Menschen umbringt? Elser hat sich damals entschieden, etwas zu tun. Man muß sich in solchen Fragen halt entscheiden.
Elser war aber ein Einzeltäter. Das andere ist die Intervention von Militärs nach einem langen Abwägungsprozeß, an dem mehrere Staaten beteiligt sind. Eignet sich Elser nicht hervorragend für eine Debatte um die Frage, ob der Zweck die Mittel heiligt?
Das tut er. Elser hatte keine andere Wahl. Hitler war ein umtriebiger Mensch. Aber er war seit 1933 aus historischen Gründen am 8. November im Hofbräukeller. Millionen haben ihm zugejubelt, auch unsere Großmütter und Großväter. Elser hat etwas getan.
Das beantwortet die Frage nicht. Er ist ein Held. Nichtsdestotrotz hat sein Attentat acht Opfer gefordert. Heiligt der Zweck die Mittel?
Elser war ein friedliebender Mensch ...
... der eine Bombe geworfen und acht Menschen getötet hat ...
Elser war ein ruhiger gewaltloser Mensch. Alle waren sehr, sehr erstaunt, daß ausgerechnet er diese Tat begangen hat.
Nun lassen Sie sich doch mal zu einer konkreten Aussage hinreißen. Sie haben gesagt, daß man sich entscheiden muß. Wie würden Sie sich entscheiden?
Unter Umständen ist Gewalt schon berechtigt. Ich will hier aus einer Biographie über Elser zitieren: „Dem Pietisten ist ein gewaltsamer Widerstand höchst suspekt und der Tyrannenmord kein Weg, die ihm seine Religiösität erlaubt. Elser entschied sich dennoch für den Anschlag und gegen die dogmatischen Hürden seines Glaubens. Ein Mann mit Eigensinn, Gerechtigkeitsgefühl, Mut in einem Ozean von Feigheit.“ Das sagt aus, was ich auch denke.
Veranstaltungen zum Gedenken an Johann Georg Elser: 11. November, 19 Uhr, Eröffnung der Wanderausstellung „Ich habe den Krieg verhindern wollen“ im Gustav-Heinemann Bürgerhaus in Vegesack. 13. November, 19.30 Uhr Uraufführung „Einer mußte es ja tun“, künstlerische Auseinandersetzung mit Elser. 3. Dezember, 10 Uhr, Ausstellungseröffnung im Staatsarchiv. 6. Dezember, 11 Uhr, Filmvorführung „Der Attentäter“ im Kino 46. Bitte beachten Sie unseren Veranstaltungskalender.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen