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OSZE-Beobachter auf verlorenem Posten

■ Die Mission im Kosovo stößt auf Probleme. Mitarbeitern können Visa verweigert werden, auch militärischer Schutz ist nicht garantiert

Sarajevo (taz) – Schon hinkt die Installierung von 2.000 internationalen Beobachtern im Kosovo hinter dem Zeitplan her. Gründe dafür sind nicht nur die Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von geeignetem Pesonal, sondern auch der Umstand, daß die serbischen Behörden das Recht haben, den Mitarbeitern der Mission Visa auszustellen. Wohin dies führt, ist an der Verweigerung der Visa für die Repräsentantinnen des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag abzulesen. Das Abkommen zwischen dem US-amerikanischen Unterhändler Holbrooke und dem jugoslawischen Präsidenten Milošević hat in dieser Frage offenbar zu Unsicherheiten geführt. Die serbische Seite ist in der Lage, mit diesem Instrument die Aktionsfähigkeit der internationalen Gemeinschaft einzuschränken.

Auch bei der Ausstellung von Visa für die 200 Mitarbeiter des deutschen Kontingents rechnen Mitarbeiter der OSZE in Wien mit Verzögerungen. Nach dem martialischen militärischen Aufbau der Nato und den Angriffsdrohungen gegenüber Serbien sei die Überwachungsmission trotz der euphorischen Äußerungen von Nato-Generalsekretär Javier Solana „von einem Elefanten zu einer Mücke geschrumpft“, heißt es.

Sorgen macht manchen der künftigen Mitarbeiter vor allem die Sicherheitslage. Denn die OSZE-Beobachter werden ohne militärischen Schutz auskommen müssen. Die Konstruktion, eine schnelle Eingreiftruppe in Makedonien aufzustellen, läßt manche Frage offen. Wie soll eine kleine Gruppe von Mitarbeitern der OSZE in irgendeinem Dorf Kosovos bei einem etwaigen Angriff geschützt werden? Wie soll die Kommunikation, die Logistik funktionieren? Welche Kommandostrukturen sind dazu notwendig? Werden die aus nationalen Kontingenten zusammengesetzten internationalen Truppen überhaupt an einem Strang ziehen oder sich gegenseitig blockieren?

Im Kosovo werden jedoch nicht einmal internationale Truppen anwesend sein. Daß es sich bei der Hälfte der schnellen Eingreiftruppen um französische Soldaten handeln soll, verwundert nicht nur die Albaner Makedoniens und des Kosovo. In diesem Zusammenhang erklären auch militärische Kreise in Sarajevo, der Verrat der Nato-Angriffspläne an die serbische Seite durch den proserbischen französischen Major Pierre Bunel könne kaum die Aktion eines einzelnen gewesen sein. Fraglich sei nach den Erfahrungen mit dem Krieg in Bosnien zudem, ob eine Intervention in Jugoslawien wegen des Übergriffes auf eine kleine Gruppe von OSZE-Beobachtern überhaupt zustande kommt.

Die gesamte Intention der OSZE-Mission könnte auch aus anderen Gründen noch an Kraft verlieren. Wie sich jetzt schon nach Informationen aus Priština abzeichnet, stellen die internationalen Hilfsorganisationen vor allem serbisches Personal ein, kaum jedoch kosovo-albanisches. Sie seien zudem unter der Hand verpflichtet, einen Teil der für den Kosovo bestimmten Hilfsgüter an die serbische Seite abzugeben. Auch hier entsteht eine Parallele zu Bosnien: 50 Prozent der Hilfslieferungen mit dem Ziel Sarajevo gingen an den damaligen Serbenführer Karadžić. Das Geschäft mit der humanitären Hilfe erwies sich als kriegsverlängernd. Auch im Kosovo drohen die internationalen Hilfsorganisationen unfreiwillig zur Quelle des Profits von Kriegsgewinnlern zu werden.

Sollte sich auch die OSZE-Mission vor allem auf serbisches Personal stützen, würde sie in den Augen der Albaner bald ihre unabhängige Position verlieren.

Aus einer „abwartend hoffungsfrohen Haltung“, so Quellen aus Priština, könnte Ablehnung entstehen, was wiederum die Sicherheitslage tangieren würde. Denn mit dem Teilabzug serbischer Truppen aus manchen Gebieten der Region rückten UCK-Kämpfer nach. Wie schon in der Vergangenheit könnte ihre Anwesenheit die serbische Seite zu Provokationen verleiten, um die Schuld an Übergriffen auf OSZE-Mitarbeiter der UCK in die Schuhe zu schieben. Daran könnten auch häufige Überwachungsflüge durch Drohnen kaum etwas ändern. Erich Rathfelder

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