: Als buddhistisches Oberhaupt tätig –betr.: „Tibet nutzt der Tibetrummel nichts“, taz vom 29.10. 98
Bezogen auf die Veranstaltung in Schneverdingen halte ich den Artikel für sehr mißverständlich. Ein grundlegendes Mißverständnis kommt direkt in der Headline zum Ausdruck, nämlich bezogen auf den „Anlaß des Wirkens“ des Dalai Lama. Im Rahmen der Veranstaltung war er als ein buddhistisches Oberhaupt tätig, nämlich etwas von der buddhistischen Lehre zu vermitteln. Zu der Besetzung Tibets war daher von ihm persönlich nicht viel zu vernehmen. Von daher kann die Erwartung, etwas für die Situation in Tibet direkt zu erreichen, nur fehlgehen. Dabei konnte man aber doch die tatsächlichen Wertmaßstäbe kennenlernen, von denen aus die Unabhängigkeit Tibets für die Tibeter selbst wichtig wird, vor allem aus welcher Geisteshaltung heraus der Dalai Lama selbst seine Stellung zur Problematik bezieht und weswegen er überhaupt seine Popularität erlangt hat. Eine undifferenzierte Bewertung, wie sie in dem Bericht vorgenommen wurde, halte ich für überheblich, da auch ein Dalai Lama die Motive für sein Handeln selbst wählen muß.
Die Situation, wie in Tibet der Buddhismus gelebt wird, kann auch kaum als Maßstab für das Wirken des Dalai Lama angesetzt werden, da sie durch längere Traditionen geprägt ist als seine Lebensspanne, während der er ohnehin von seinem Land die meiste Zeit getrennt war.
Eine Bildungspolitik, die auch sein eigenes Bild für die Bedeutung gegenüber dem Volk zu wandeln geeignet wäre, ist ihm nicht möglich und würde auch einen langen Zeitraum in Anspruch nehmen. Ich möchte nicht behaupten, daß die Umerziehungsmaßnahmen der chinesischen Besatzer dazu geeignet sein sollten. Der Dalai Lama betont immer wieder die Wichtigkeit des Zusammenwachsens der verschiedenen Lebenswelten, die allerdings nicht den üblichen Vorgang der Überstülpung westlicher Lebensweise meint, die zu einer völligen Verarmung dieser Möglichkeiten auf der Erde führt. Aus welcher Geisteshaltung auch immer die Tibeter ihren Widerstand leben, für den ihr Oberhaupt auch im Westen steht, sollte doch mehr Anerkennung finden als kulturelle Arroganz, wie sie meiner Meinung nach zum Ausdruck kommt.
Der Zweifel an einem kulturellen Völkermord in Anbetracht der bis heute andauernden militärischen und polizeilichen Gewalttaten mit ungezählten Todes- und Folteropfern, der ökologischen Ausbeutung des Landes und der rigorosen Besiedlungspolitik kommt mir wie Hohn vor. [...] Dirk Lotharius, Köln
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