: Die geplante Ökosteuer ist kein grünes Kind mehr
■ Nach dem Kompromiß zwischen SPD und Grünen zahlen Industriebetriebe künftig einen niedrigeren Satz als private Haushalte. Energieverschwender kommen am besten weg
Als sich gestern nachmittag Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) und Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine (SPD) zum Gespräch über die Ökosteuer trafen, war das eigentlich schon eine Krisensitzung. Denn mit dem Referentenentwurf zur Steuerreform aus Oskar Lafontaines Bundesfinanzministerium war so ziemlich alles ins Wanken geraten, was den Grünen an der Ökosteuer wichtig war. Kurioserweise war es aber auch praktisch das erste Mal, daß ein Grüner offiziell an dem Ökosteuerentwurf beteiligt worden war. Denn das, was am Freitag verteilt wurde, stammte allein aus der Feder der drei SPD-Minister Lafontaine (Finanzen), Riester (Soziales) und Müller (Wirtschaft/ Energie). Außer in Gesprächen auf Sachbearbeiterebene war das Umweltministerium nicht miteinbezogen worden. Und das, obwohl die Ökosteuer in der allgemeinen Wahrnehmung ein grünes Kind ist.
Kein Wunder, daß bereits am Donnerstag mehreren Grünen zu dämmern begann, daß der große Zeitdruck, den Lafontaine vorgab, auf ihre Kosten gehen könnte. Die ersten sprachen prophylaktisch vom Verschieben der Ökosteuer bis zum 1. 4. 1999, um Zeit zu haben für einen ausgereiften Entwurf. Und tatsächlich: Was sie dann am Freitag zu sehen bekamen, entsprach überhaupt nicht ihren Vorstellungen. Die Industrie war fast völlig ausgenommen. Dagegen sah das SPD-Trio für Strom aus Windrädern, Solarzellen und Biogasanlagen keine Befreiung vor. Auch eine Bevorzugung von Kraftwerken, die besonders umweltfreundlich Strom propduzieren, war nicht vorgesehen. Also Befreiung für die Stromfresser, nicht aber für die umweltfreundlichen Stromsproduzenten.
Am meisten in Rage brachte grüne Politiker die praktische Herausnahme der Industrie: Für die hatte Lafontaine eine Kappungsgrenze für die Steuer von 100.000 Kilowattstunden Verbrauch im Jahr vorgesehen; das bedeutet eine Stromsteuer von maximal 2.000 Mark pro Jahr und Betrieb – völlig unabhängig, ob eine kleine Firma bloß Broschüren druckt oder ein Konzern energieaufwendig Aluminium verhüttet. Wer viel Strom verbraucht, muß keine Ökosteuern zahlen. Wer nur einen kleinen Betrieb hat und ohnehin wenig Strom verwendet, muß bluten. „Das ist schlicht mittelstandsfeindlich“, schimpfte die Umweltpolitikerin Michaele Hustedt gestern vormittag – aus grünem Mund ein wahrlich ungewohnter Vorwurf.
Dann am Nachmittag der Kompromiß: Alle Industriebetriebe müssen Energiesteuern zahlen, so die Einigung, allerdings nur einen Bruchteil von dem Satz, den die Privathaushalte hinlegen müssen – vermutlich irgendwas um die zwanzig Prozent herum, wie es die Grünen am Wochenende gefordert hatten. Für die besonders energieintensiven Unternehmen sollen befreit werden. Auch für den Strom aus Windrädern und Solaranlagen wird eine Steuer erhoben, dafür gibt es aber ein Förderprogramm. Genaue Zahlen sollen erst noch festgelegt werden. Und dafür gibt es jetzt eine Woche Verschnaufpause, denn so lang wird die Fertigstellung des endgültigen Entwurfs verschoben. Das reicht zum Durchatmen. Ob es für einen gescheiten neuen Entwurf reicht, wird die Woche zeigen. Matthias Urbach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen