Baum kämpft gegen Wasserglas

■ Stefan Krawczyk las/sang/klampfte in einer Bremer Sparkasse

Einst wurde er gehaßt, nein, nicht nur von der Staatsmacht der DDR, die 1988 ihre höfliche Bitte um leibliche Entfremdung mit der Androhung von Haftstrafe bekräftigte – erfolgreich. Auch diverse westliche Szenen mochten Liedermacher Stefan Krawczyk nicht. Der tranigere Biermann, hieß es spöttisch.

Krawczyks individuelle Wende oder Wiedervereinigung, ein Jahr vor der kollektiven, erregte Aufsehen. Heute interessiert sich kaum einer mehr für ihn. Nur wenige lauschten den Splittern des neuen, zweiten Romans „Bald“. Dabei ist er erzsympathisch: nicht larmoyant, nicht Opfersymbolträger, nur unglaublich höflich. „Wenn Sie nichts dagegen haben, dann wechsele ich weiter so zwischen Roman und Lied.“ Sein Thema ist nicht Stalinismus, erzählte er in einem Radio-Bremen-Interview, sondern der Terror der Ökonomie, die Konsumgesellschaft, und wie man sich dagegen wappnet, nämlich durch eine beharrliche Suche nach präziser Sprache. Auf dieser Suche befindet sich Romanheld Roman Bald. Doch trotz seines schillernden Vor- wie Nachnamens merkt man das den Lesungsfragmenten nicht an. Da pendelt Bald zwischen der Polsterbank, drüben in Wagners Kneipe, öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Zoo. Dabei begegnet er jeder Menge heimlicher und offensichtlicher Irren: einem Tankstellenwart ebenso wie einem Busfahrenden, der die Geheimnisse seines Wäscheschranks ungefrangt ausplaudert.

Krawczyk begleitet seinen Helden durch alle Untiefen des Alltags. Doch er tut dies nicht misanthrophisch, sondern schmunzelt über das Ausredensuchen des Zuspätgekommenen oder die latente Hilflosigkeit gegenüber einem dreijährigen Tierquälerknirps. Als Kraw-czyk dann das obligatorische Lesungs-Wasserglas zum Stürzen bringt, reagiert er halb verschämt, halb gewandt wie Roman Bald. „Soll ja Hochwasser sein, hier in der Gegend“, meint er, und blickt hilflos aufs dünne Rinnsal. Eine Art Don Quichotte im Kampf mit dem Wasserglas.

Im Gegensatz zur detailscharfen Lakonie seiner Prosa watet er beim Singen im großen Gefühl, an die Hand genommen durch Fremdtexte. „Weil ich dich Liebe, scheint die Sonne hell. Die Rosen blühen nur für dich“, schluchzt aus Krawczyk irgendein unbekannter Autor. Doch diesen Satz verantwortet er selbt: „Es gibt ja viel zu wenig Liebeslieder“. Beim Singen wird er ganz Hals. Wie ein dicker, alter Baumstamm im Sturm biegt und windet er ihn sehnsüchtig gen Zimmerdecke – oder Himmel, wer weiß. Eigentlich ist er ziemlich nett. bk