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■ VorlaufHolterdiepolter

„Das Miststück“, 20.15 Uhr, RTL

Wenn sie raucht, legt sich der Qualm wie eine Aureole um den Kopf. Wo Anna Maron (Iris Berben) auftritt, quietscht bestimmt ein Ventilator, und die Nacht ist noch etwas schwärzer als sonst. Anna ist eine von der Sorte „geheimnisvolle Fremde“, die auch einen Philip Marlowe hüsteln läßt. Doch der RTL-Film „Das Miststück“ will es noch hausbackener. Hier gibt es keine angeschmuddelte Spürnase, sondern einen schnurzbiederen Kommissar im Rollstuhl, der auch ansonsten nicht mehr so viel fühlt, weil ihm schlimme Welt und böse Routine das Herz vereist haben. Ihm erzählt Anna eine haarsträubende Story, die sich nicht zwischen Rosamunde-Pilcher- Blümchenpoesie und dem hartgekochten Geraune der Schwarzen Serie entscheiden kann. In Rückblenden, dazwischengeschnitten immer wieder das verrauchte Kommissarzimmer, tischt Anna ihre schwülen Träume als echte Mordsgeschichte auf, in der ihr Gatte umkommen soll. Und weil sie nicht nur schön, sondern in den Grenzen des RTL-Weltbildes auch klug sein soll, garniert sie das mit Weisheiten, die höchstens als Kartoffelschälunterlage taugen: „Manchmal passieren Dinge, die man nicht erklären kann und die einen in einer Art und Weise verändern, die man nie begreifen wird.“ Am Ende kommt dabei ein Schmachtstreifen heraus, den man wirklich nicht begreift. Da ist z.B. der doofe Gatte, der mit Anna nur ausgeht, wenn sie Tiefausgeschnittenes anzieht, weil dann die Geschäfte besser laufen. Es bleibt ein Rätsel, was Anna, die sich so abrackert, tough zu sein, an diesen säftelnden Seitenstecher jemals binden konnte. Als sie von einer Affäre Wind bekommt, fährt sie in die erwähnte schwarze Nacht, rammt ein Killerauto, wird entführt und feiert Liebesnächte mit dem Kidnapper, dem auch noch die chinesische Mafia an den Hacken hängt. Bei dieser erzählerischen Holterdiepoltermethode gerät selbst der als absurder Weichensteller immer wieder bemühte Zufall bald ins Hecheln. Birgit Glombitza

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