■ Die wirrsten Grafiken der Welt (2)
: Wollen und Erkennen

Zeit seines Lebens machte sich der Nationalsozialist Alfred Rosenberg Gedanken über Wollen und Erkennen, Religion und Wissenschaft, Philosophie und Moral, Natur und Form, Mythos und Ideen, Wille und Formung, Natur und Freiheit. 1946 wurde Rosenberg, der im Dritten Reich als Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP sowie als Reichsminister für die besetzten Ostgebiete gewirkt hatte, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Hinterlassen hat er der Welt sein törichtes Chef d'Oeuvre „Der Mythos des 20. Jahrhunderts“ (München 1933) und eine superbes Schema, das uns die Wechselbeziehungen zwischen Wollen und Erkennen, „Religion (Mythos)“ und „Wissenschaft (Ideen)“ tadellos vor Augen führt.

Man durchschaut auf den ersten Blick, daß sich Wollen und Erkennen hier diametral gegenüberstehen, als Flachdach über einer Art Hochbungalow, dessen Rauchfang von Philosophie, Moral und Kunst (Form) gebildet wird. Das leuchtet ein. Mit dem Erdreich verbunden ist der Bungalow durch eine Kraft namens „Wille (Natur)“, und als Blitzableiter dient ihm ein Gebilde namens „Formung (Freiheit)“, „Religion (Mythos)“ und „Wissenschaft (Ideen)“ bewohnen dieselbe Etage, sind aber nur durch „Philosophie, Moral, Kunst (Form)“ miteinander verbunden. So weit, so gut. Doch was lernt uns das?

Der Wille (Natur) speist Philosophie, Moral und Kunst (Form). Daraus entstehen irgendwelche Religion (Mythos) und Wissenschaft (Ideen), und ein Stockwerk höher haben sich Wollen und Erkennen angesiedelt. Über allem aber erhebt sich die Formung (Freiheit). Dank Alfred Rosenberg blicken wir hier nun endlich einmal durch.

„Wollen und Erkennen“, vermerkte der Schema-Ingenieur Rosenberg, „haben beide die Formung des Willens der Natur zum Zwecke. Beide sind primäre Triebfedern alles Menschlichen. Erstere gebiert die Religion, letztere die Wissenschaft und Philosophie.“ Siehe Grafik.

Alfred Rosenberg verdanken wir die Erkenntnis, daß die primären Triebfedern alles Menschlichen in einem Bungalowschema residieren, und zwar oberhalb dessen, was sie gebären. Dafür ist Alfred Rosenberg zu danken. Ohne ihn wären wir niemals darauf gekommen, daß sich Triebfedern oberhalb ihrer Nachkömmlinge einmieten.

Ruhe sanft, Alfred Rosenberg! Gerhard Henschel