Böhse Onkelz oder Schafe im Wolfspelz?

■ Die umstrittene Band kommt nun doch zu zwei Konzerten nach Hamburg Von Volker Marquardt

Es muß um etwas anderes gehen. Denn die Musik der Böhsen Onkelz, ein unbedarfter Punkrock mit schwermetallischem Einschlag, liegt im Fahrwasser akzeptierter Stile. Es sind die Texte ihrer frühen Stücke, von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert, die sie als „einflußreichste Skin-Band“ in die Kritik brachten.

Ihr Haßsong „Türken raus!“ mit der Textzeile „Türkenfotze glattrasiert“ gilt bis heute, obwohl er nie auf Platte erschien und die Onkelz damals noch Irokesenschnitt trugen, als Beleg für ihren Rechtsradikalismus. „Wir haben ständig von ausländischen Jugendgangs aufs Maul bekommen, und irgendwo war's halt ein Ventil zum Rauslassen“, entgegnet Texter Stefan Weidner politischen Interpretationen mit dem handgreiflichen Argument der Straße.

Und weiter heißt es vom Kopf der Band bereits Mitte der 80er Jahre: „Nazis sind feige Schweine. Sie sind vielleicht teilweise in der Beziehung auf Ausländer meiner Meinung, aber ich bin doch kein Adolf-Hitler-Fanatiker. Eine neue Dikatur brauchen wir bestimmt nicht.“

Als die Böhsen Onkelz 1979 in Aschaffenburg begannen, „kotzten sie raus, was ihnen schwer im Magen lag“, konstatieren die – rechter Ideen völlig unverdächtigen – Autoren Klaus Farin und Eberhard Seidel-Pielen, die für ihr Buch Skinheads einige hundert Skins befragten. Beide kommen nach ausführlichem Textstudium zu dem Schluß, daß die Onkelz „nie Nazis waren“. Aber, kein Zweifel, ihre Texte seien rassistisch und nationalistisch gewesen, und als Teil einer rüden Eintracht-Frankfurt-Gang waren sie Hooligans der übelsten Sort gewesen: Tanzen, Saufen und Prügeln bis zum Abwinken.

Es scheint eher so, daß die Rezeption mehr über die politische Befindlichkeit der deutschen Öffentlichkeit und ihren Umgang mit Neonazis aussagt als über die Onkelz selbst. Die Stigmatisierung der Hooligan-Szene durch die Bundesprüfstelle wurde bereits 1988 vom Bayerischen Verfassungsschutz unterlaufen, der den Onkelz attestierte, von den Skinheads als „linke Schweine“ gemieden zu werden. Dessen ungeachtet wurde die Band nach den Brandanschlägen von Solingen als Sprachrohr des rechtsradikalen Fußvolks von der Presse hervorgekramt, um dann kleinlaute Kehrtwendungen folgen zu lassen (siehe Der Spiegel vom 15.11.1993).

Inzwischen wurden die Onkelz sogar als Vorzeige-Wendehools salonfähig. Der Ausländerbeauftragte Frankfurts, Daniel Cohn-Bendit lud die Böhsen Onkelz zu einem Podiumsgespräch und Dagmar Lill, die in Bremen das gleiche Amt bekleidet, zum „Rock gegen Rechts“-Festival. Ähnliche Motive mögen wohl auch die Organisatoren des Hamburger Auftritts hegen. Michael Schmelich von der Kasseler Konzert-Agentur S-Cord wie der örtliche Veranstalter Carsten Schölermann, Mitglied der Hamburger Grünen, setzen nach dem Onkelz-Boykott durch die Angestellten der Großen Freiheit (siehe taz hamburg vom 12.6.1995) die Auftritte heute und morgen abend im neueröffneten Gaswerk in Bahrenfeld durch, obwohl beide die Band musikalisch „einfach schlecht finden“. „Die 250.000 Käufer der letzten Platte können nicht alle Rechte sein“, meint Schölermann. „Jeder zweite aus meinem Umfeld hat einen Onkelz-Fan als Sohn, was natürlich manche linke Eltern in Identitätskrisen stürzt.“ Neben finanziellen Gründen, bei 4000 erwarteten Besuchern nicht zu vernachlässigen, kommt also ein Generationskonflikt zum Tragen, der pädagogisch beantwortet werden will.

Die Onkelz gelten nunmehr als Musterbeispiel für ein Erziehungsideal, das statt auf Stigmatisierung auf Wandlungsfähigkeit baut. So sehen sich auch die Onkelz inzwischen, die es in einer Pressemitteilung als ihre Aufgabe ansehen, „einen gewissen Kreis an Leuten zu erreichen, den kein Politiker und kein Sozialarbeiter mehr erreichen kann“. Eine wirklich seltsame Allianz zeichnet sich hier ab, denn die Onkelz werden von Leuten hofiert, die sie mit ihrer Musik ausdrücklich ablehnen.

Wenn die Onkelz mehrfach von „den Lügen der Regierung“ singen, meinen sie immer auch die Lügen der Alt-68er, der Elterngeneration. Es geht bei all ihren Kraftmeiereien (“Lieber stehend sterben als kniend leben“), der aggressiven Tonlage und der Inszenierung als Underdog um Unverdaulichkeit als letzte mögliche Provokation. Davon abgesehen findet sich auf den letzten beiden Platten der Böhsen Onkelz aber auch nicht eine Zeile, die sich beanstanden ließe. „Ich sehe braune Scheiße töten, ich höre hirnlose Parolen von Idioten und Verlierern“, heißt es in „Für immer“.

Beim Tourneeauftakt in Emden wendete sich das Quartett, Ohren- und Augenzeugen zufolge, deutlich gegen Provokationen aus dem Publikum. In einem Gespräch distanzierte sich Weidner noch einmal ausdrücklich von dem vorige Woche verurteilten Attentäter von Solingen, Felix K., der „mit Inbrunst das rassistische Türkenlied zu singen“ pflegte (taz vom 14./15. 10.1995): „Diese ganze Kacke beruht in dessen kranken Hirn und liegt nicht in unserer Musik.“