Katzen vergasen

■ Michael Haenel mit „Der Herr Karl“ in den Kammerspielen

Eine Plastik-Thermoskanne, ein kleiner Küchentisch und ein grauer Spind. Die karge Bühnenausstattung gewährt sofort einen trostlosen Einblick in die enge Welt des Herrn Karl. Schauspieler Michael Haenel brachte am Samstag nach rund zehnjähriger Spielpause das bissige Porträt des spießbürgerlichen Mitläufers wieder auf die Bühne der Hamburger Kammerspiele.

Der Herr Karl ist „Magazineur“ in einem Wiener Delikatessengeschäft. In der Hinterstube des Ladens erzählt er einem imaginären Gesprächspartner seine Lebensgeschichte: Zur rechten Zeit NS-Parteimitglied geworden, jubelte er 1938 Adolf Hitler auf dem Wiener Heldenplatz zu. Mit einer Reihe deprimierender Jobs hat er sich in den wirtschaftlich schwierigen Jahren über Wasser gehalten: Einmal mußte er im Tierheim Katzen vergasen. „Ganz steif woarn's die Viecherl, nach anner Stund' hat ma's richtig zerbrechen können, die Hax'n.“

Der Herr Karl, 1961 von Carl Merz und Helmut Qualtinger geschrieben, ist keine Phantasiefigur. Schauspieler Nikolaus Haenel entdeckte den Stoff für das Stück. Er jobbte Anfang der sechziger Jahre in einem Wiener Feinkostladen und lernte dort „Herrn Josef“ an, einen älteren Hilfsarbeiter. Herr Josef erzählte dem jungen Schauspieler acht Tage lang seine Lebensgeschichte. Haenel hörte aufmerksam zu und prägte sich Wortwahl, Gestik und Gewohnheiten seines Lehrlings ein. Abends spielte er Helmut Qualtinger vor, was er tags gehört hatte.

Der Herr Karl begleitet Nikolaus Haenel seit rund 35 Jahren. In den Hamburger Kammerspielen stellt er dem Publikum eine solide, klare Charakteranalyse ohne Doppelbödigkeit vor. So erstaunt es dann nicht, wenn Herr Karl beiläufig erzählt, daß er – nachdem er seine Frau grün und blau gewürgt hat – in „anner solchenen Situation ma schnöll per du mit an Taxifahrer is“. Das Publikum dankte Haenel für seine Aufführung mit herzlichem Applaus.

Franziska Becker