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Begutachten, bis alles paßt

■ Verkehrssenator ließ sich per Zweitgutachten bestätigen, daß für Tram in der Leipziger Straße die teure Tunnellösung optimal wäre. Erstgutachter hatte für oberirdische Variante plädiert

Was macht ein Senator, wenn er ein Gutachten in Auftrag gibt und ihm das Ergebnis nicht paßt? Er beauftragt einen zweiten Gutachter, der das gewünschte Ergebnis liefert. Den alten Trick hat Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU) wiederbelebt, um die Tram durch die Leipziger Straße zu verhindern. Dummerweise, um aus seiner Sicht zu sprechen, sind ihm die Grünen auf die Schliche gekommen. Genüßlich ließ sich die Opposition am Mittwoch abend im Verkehrsausschuß beide Gutachten von den Verfassern präsentieren. Die Stimmung im Ausschuß war denn auch etwas gereizt.

Anfang des Jahres hatte die Verkehrsverwaltung den Hannoveraner Professor für Verkehrswirtschaft, Robert Schnüll, beauftragt zu untersuchen, ob eine Straßenbahn durch die Leipziger Straße mit dem Autoverkehr zwischen Alexanderplatz und Potsdamer Platz verträglich wäre. Verkehrsverwaltung und BVG plädierten bis dahin offiziell für den Bau einer teuren unterirdischen Tram, „Pré-Metro“ genannt. 347 Millionen Mark würde die Tunnelvariante kosten – statt der 101 Millionen Mark für die oberirdische Trassenführung.

Gutachter Schnüll kam mit seiner 118.000 Mark teuren Untersuchung jedoch zu dem Ergebnis: Eine oberirdische Tram würde den Autoverkehr zwischen Alex und Potsdamer Platz nicht beeinträchtigen. Dieses unerwünschte Resultat ließ Klemann nicht stehen. Er beauftragte das Planungsbüro Stadt- und Regionalverkehr (PSV) Dresden-Berlin-Erfurt mit einem neuen Gutachten, das 18.000 Mark kostete. Als Gegengutachten will es in der Verkehrsverwaltung niemand bezeichnen. Staatssekretär Ingo Schmitt sprach von einem „Ergänzungsgutachten“, Klemanns Sprecherin Petra Reetz von einem „Variantengutachten“.

Der Leiter der Berliner PSV- Niederlassung, Ulrich Rabe, kam zum gegenteiligen Ergebnis: Die beste Lösung sei der Tunnel. Denn oberirdisch fahre die Tram mit 15 Stundenkilometern in der Leipziger Straße zu langsam. Außerdem werde mit einem Zwei-Minuten- Takt der Autoverkehr zu sehr beeinträchtigt. Schnüll war von einem Fünf-Minuten-Takt ausgegangen. Auch Klemanns Sprecherin Reetz betonte, daß 20 Stundenkilometer das Minimum seien, damit eine Tram wirtschaftlich sei und von den Nutzern angenommen werde.

„Man fordert das Optimum und macht damit die Straßenbahn kaputt“, kritsiert Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Bündnisgrünen. Die neue Tram über den Alexanderplatz etwa werde im Schrittempo fahren. Zudem tue Klemann alles, um schnellere Straßenbahnen zu verhindern. Angesichts seiner Forderungen bei der Leipziger Straße müßten zig Tramlinien stillgelegt werden.

Verärgert ist auch der Erstgutachter Schnüll. Er hat das Gefühl, Gutachter würden nur benutzt, um bestimmte Positionen zu stärken. Wenn sich der Senat jedoch nicht darüber klar sei, was er wolle, kritisierte Schnüll, „hätte er sich das Geld für das Gutachten sparen können“. Jutta Wagemann

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