: Krokodile auf Rädern
Sammler und Jäger stauen sich träumerisch blickend vor den Glasvitrinen der Modellbahn-Ausstellung im Bergedorfer Schloß ■ Von Eberhard Spohd
Was ist an dieser Ausstellung eigentlich dran, fragt sich mancher Besucher im Bergedorfer Schloß. Da stehen ein paar Miniatur-Lokomotiven in Glasvitrinen, schmucklos und ohne Dekoration. Nicht einmal anfassen darf man die kleinen Dinger. Und doch stehen Jungs, kleinere und größere, vor den Schaukästen und ereifern sich über das „Krokodil“, die überlange Vorzeige-E-Lok der Räthischen Bahn, aus dem Jahre 1938 oder huldigen einem Dampf-Zeitalter, das sie meist nicht mehr selbst kennengelernt haben. Und sind trotz aller Piefigkeit von „Papa kauft (sich) eine Eisenbahn“ angetan.
Modelleisenbahnfreunde sind seltsame Menschen. Sie sammeln alte Kataloge ihrer Lieblingsher-steller. Sie vergleichen die Modelle stundenlang mit den Originalen. Ihre eigenen kleinen Dieselloks machen sie mit Farbe und enorm feinen Pinseln unansehnlich, schließlich sind auch die Vorbilder in der Realität schmutzig und rostig. Am schlimmsten aber: Sie treiben sich stundenlang an zugigen Bahnhöfen herum und holen sich eine Erkältung, nur um die Seriennummern der ankommenden und abfahrenden Züge in ihre Notizhefte zu übertragen. Zu Hause stapeln sich die Kursbücher der Deutschen Bundesbahn mit akribischen Anmerkungen über abgefahrene Schienenkilometer und Bildbände der großen Sonderzüge der Welt. Und wofür das alles? Damit sie ihre staunenden Söhne – von Töchtern soll hier gar nicht die Rede sein – vor die heimische Panoramaanlage führen und sagen können: „Eines Tages wird das alles dir gehören.“
Für diese sonderbare Spezies ist die Ausstellung in Bergedorf ein Quell der Freude. Modelle aus der über hundertjährigen Geschichte der Firma Märklin sind zu sehen. Frühe uhrwerkbetriebene Dampfloks aus dem Jahre 1895 versetzen Liebhaber in Ekstase. Die Stabilo-Metallbaukästen treiben älteren Herrschaften noch heute die Tränen in die Augen. Das war doch noch etwas anderes als die dämliche Playmobil-Plastikchose, damit konnte man alles bauen, was man wollte.
Doch sollten diese Maniacs mit Nachsicht behandelt werden. Sammler sind sie und Jäger. Ihre archaischen Triebe leben sie in den Spielwarenabteilungen der Kaufhäuser aus. Sie sind harmlos und nur noch mit Philatelisten und Numismatikern vergleichbar. Wer bei der Besichtigung des Bergedorfer Schlosses also einen Besucher mit träumerischem Blick vor einem Glaskasten stehen sieht, der wundere sich nicht, sondern führe ihn behutsam nach draußen. Die Aufsicht wird es danken.
Märklin-Ausstellung im Bergedorfer Schloß, täglich außer Montag und Freitag von 10 bis 17 Uhr.
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