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„Uns fehlt ein verbindliches Konzept“

■ Dorothea Kolland, die Leiterin des Kulturamtes Neukölln, plädiert für den Aufbau von Netzwerken, in denen freie und staatliche Träger die vorhandenen Ressourcen gemeinsam nutzen können

taz: Haben die Bezirke kein Geld mehr für Kultur?

Dorothea Kolland: Die Bezirke sind in ihren Globalhaushalten unterschiedlich ausgestattet und belastet. Bezirke mit sehr hohen Sozialleistungen sind arg benachteiligt gegenüber Bezirken, die wenig Sozialhilfe zahlen müssen. Daß dann die sogenannten Nicht- Pflicht-Aufgaben zuerst weggespart werden, ist das nächste Problem: Wohngeld muß man zahlen, Sozialhilfe muß man zahlen, aber Kultur? Pfff! Außerdem fehlt oft die Einsicht, daß Kultur zu den Lebensnotwendigkeiten gehört.

Teilweise leisten die Kunstämter eine sehr spezifische Arbeit, wie das Haus am Waldsee, das Haus am Kleistpark oder das Mies-van- der-Rohe-Haus. Macht da die kommunale Anbindung nicht zu abhängig von den politischen Verhältnissen des Bezirks?

Das ist ein schwieriges Kapitel. Wenn Sie mit dem traditionellen Westberliner Blick auf Kunstämter abzielen, haben Sie sicher recht; Kunstprojekte unterliegen anderen Gesetzen als bezirkliche Kulturarbeit. Ich persönlich denke allerdings, daß die Aufgabe der Kulturämter nicht darauf beschränkt sein darf, selbst Kunstausstellungen zu produzieren, sondern daß wir für die Strukturen zuständig sind, die Kunstproduktion und -präsentation ermöglichen.

Uns fehlt ein verbindliches Konzept der Aufgaben bezirklicher Kulturarbeit, in dessen Koordinatenfeld wir uns bewegen können, an das sich allerdings auch unsere Behörde als Geldgeber zu halten hat. Dieses Konzept wurde vorgelegt und für gut befunden, es scheiterte jedoch schnell, als es um Einsparungen ging. Die katastrophalen Entwicklungen in Tempelhof und Hellersdorf, aber auch in anderen Bezirken sprechen Bände.

Fehlt den Kulturämtern außerhalb der Bezirke eine Lobby?

Absolut. Wenn ich bedenke, daß unser Herr Kultursenator in drei Jahren Amtszeit noch keine Minute Zeit gehabt hat, zu einem Treffen der Kunst- und Kulturamtsleiter zu erscheinen. Der Kulturszene, die zunehmend an Events interessiert ist, fehlt der Sinn für die manchmal etwas trockene Basisarbeit. Auch von den Kunstwerken läßt sich niemand hier blicken.

Könnte eine Vernetzung der Kunst- und Kulturämter mehr erreichen?

Wir sind auf konzeptioneller Ebene – bei aller Unterschiedlichkeit der Positionen – nicht schlecht vernetzt, aber wir können nicht so gut eine Lobby für uns selbst sein. Eine Vernetzung hat Grenzen, wenn sie an der jeweils sehr unterschiedlichen Kulturlandschaft des Bezirks orientiert sein soll. In Hamburg und München blickt man voll Neid nach Berlin, weil in dieser Beziehung hier etwas gewachsen ist, was man dort gerade erst versucht zu erreichen.

Was empfehlen Sie aus ihrer erfolgreichen Arbeit in Neukölln anderen Bezirken?

Ein Netz für freie und staatliche Träger zu entwickeln: Meine positivste Erfahrung ist der Aufbau des Kulturnetzwerks Neukölln, wo alle, die professionell Kultur machen, über einen Verein gemeinsame Ressourcen nutzen. Da ist ein System der gegenseitigen Hilfe entstanden, und wir stricken gemeinsam am Kulturprofil des Bezirks. Das hat uns Stabilität gebracht.

Gibt es aus der Geschichte Aufgaben der Kulturämter, die man heute über Bord werfen kann?

Man sollte insbesondere das Bewußtsein über Bord werfen, der oder die einzige zu sein, die in einem Bezirk Kunst und Kultur macht. Aus sehr unterschiedlichen Richtungen hat sich die Kulturlandschaft in den West- und Ostbezirken seit 1989 erheblich verändert. Ebenso über Bord werfen sollten wir unser Helfersyndrom und die in Notstandszeiten übernommene Funktion als Veranstaltungs-, Konzert und Ausstellungsagentur.

Fehlt nicht der Punkt, wo das Nachdenken über Hauptstadt- und Bezirkskultur zusammenkommt, weil das eine Sache der Bezirke und das andere des Senats ist?

Es wäre eine Katastrophe, wenn die Leuchtturmförderung der Senatsverwaltung die Kulturlandschaft in der Fläche austrocknen würde. Die Leute, die mit dem Regierungsumzug neu in die Hauptstadt ziehen, gucken sehr genau, was für eine kulturelle Atmosphäre die Stadtteile ausstrahlen. Welche Rolle die Bezirke für den Wunschtraum Metropole spielen, da wird viel zuwenig drüber nachgedacht. Interview: Katrin Bettina Müller

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