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Generation Käfer

■ Eric Clapton spielte sich in der Berliner Max-Schmeling-Halle durch sein Repertoire und wandte dem Publikum noch einmal den Rücken zu

Daß man eines Tages bei einem Konzert mit Eric Clapton seinen Mantel an einer Garderobe würde deponieren können, um dann in geordneten Sitzreihen einen zugewiesenen Platz einzunehmen und dort festgebannt bis zum Schluß zu verharren, hätte sich wohl niemand träumen lassen, als er vor 33 Jahren die Yardbirds verließ, weil ihm der Song „For Your Love“ zu kommerziell war. Noch weniger hätte man sich träumen lassen, daß dieser Verächter des Kommerzes, der bei der Gruppe vorzugsweise mit dem Rücken zum Publikum spielte, weil er den Starkult aus tiefstem Herzen verabscheute, seine Seele und seine „Layla“ eines Tages komplett an die Autoindustrie verkaufen würde. So gesehen war man schon froh, daß Clapton sein Konzert vor 8.000 Fans in der Berliner Max-Schmeling-Halle nicht mit allzu beziehungsreichen Stücken wie „Further On Up The Road“, „Key To The Highway“ oder gar „N.S.U.“ begann, sondern zunächst Stücke seines jüngsten Werkes intonierte.

Kaum war der aktuelle Pflichtteil absolviert, nahm der bodenständig in T-Shirt und Bluejeans gewandete 53jährige die Nana- Mouskouri-Brille ab, als wolle er den Zeitsprung unterstreichen, und sah plötzlich gar nicht mehr wie ein auf juvenil getrimmter Oberstudienrat aus, sondern eher wie ein etwas betagter Bruce Springsteen. Zur Freude des Auditoriums jagten sich nun die Gassenhauer vergangener Tage von „Cocaine“ bis „Layla“, letzteres allerdings in der entsetzlich faden akustischen Version. Der Querschnitt durch 30 Schaffensjahre bot für jeden etwas, stellte alte Claptonisten ebenso zufrieden wie die feuerzeugbewehrte Tears-in-Heaven- und Wonderful-Tonight- Fraktion. Songs, derentwegen alle übrigen Yardbirds die Band verlassen hätten, wenn er sie damals angeschleppt hätte.

Das umfangreiche Karrierefazit machte gleichzeitig deutlich, was Eric Clapton stets gefehlt hat: ein eigener Stil. Ein begnadeter Instrumentalist war er schon immer, ein passabler Sänger ist er im Laufe der Zeit geworden, aber was er eigentlich spielen sollte, das wußte er nie so genau. Also bedient er sich mal hier, mal da, am liebsten bei Blues und Schnulzentum, was dazu führt, daß selbst eingefleischten Fans von seinen Alben nach der Cream-Ära auf Anhieb höchstens eine Handvoll einfällt.

Im Konzert führt der Mangel an musikalischer Persönlichkeit dazu, daß es vor allem dann spannend wird, wenn Clapton das tut, was ihn schon früh legendär werden ließ: Gitarre spielen. Wie jeder kluge Musiker von Weltklasse hat er sich einen sehr guten zweiten Mann an die Seite gestellt, der zuerst solieren darf, damit die feinen Unterschiede um so deutlicher werden, wenn endlich der Meister übernimmt: die raffinierte Phrasierung, die abenteuerlichen Tonfolgen, das untrügliche Gespür für die richtige Nuance, der dynamische Spannungsaufbau, die unwiderstehliche Dramatik, die Claptons Soli innewohnt, kurzum, jene Virtuosität, die ihn zum legitimen Kandidaten für das Amt des größten noch lebenden Rockgitarristen werden läßt, nun, da Hendrix, Garcia und Cipollina tot sind.

Komischerweise funktioniert die Magie am besten bei den neuen Stücken. Während etwa „Have You Ever Loved A Woman“ oder „Crossroads“ (tut, tut) eben so klingen, wie sie schon immer klangen, hat man bei den jüngeren Sachen das Gefühl, als würden die Möglichkeiten der Stücke gerade erst auf der Bühne ausgelotet. „For Your Love“ hat Eric Clapton nicht dargeboten, als er seine Band nach knapp zwei Stunden gut gelaunt von der Bühne winkt, dafür erfreut er das Publikum per Zugabe mit einem alten Cream-Klassiker: „Sunshine Of Your Love“. Und, man glaubt es kaum, die letzte Minute spielt er aus alter Gewohnheit doch tatsächlich mit dem Rücken zum Publikum, bevor er die zufriedenen Fans in die kühle Prenzelberger Nacht entläßt. Wenn man bloß wüßte, wo man seine verdammte Jacke gelassen hat. Matti Lieske

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