: Seuchen bedrohen Mittelamerika
Nach den Zerstörungen durch Hurrikan Mitch breiten sich in Nicaragua Hygienekrankheiten aus. In Honduras grassieren Denguefieber, Malaria und Cholera ■ Von Toni Keppeler
San Salvador (taz) – Im Nordwesten Nicaraguas ist am Wochenende der Seuchen-Notstand ausgerufen worden. Bereits vergangene Woche sind sieben Menschen an der Hygienekrankheit Leptospirose gestorben und weitere 70 Verdachtsfälle aufgetreten. Jetzt geht das Gesundheitsministerium davon aus, daß sich in den kommenden drei Wochen bis zu 15.000 Menschen infizieren können. Ärzte vor Ort halten diese Schätzungen für untertrieben und gehen von über 20.000 Leptospirose- Kranken allein in der Provinz Chinandega und weiteren 10.000 bis 20.000 in der Provinz Esteli aus.
Auch in San Pedro Sula im Norden von Honduras sind die ersten fünf Leptospirose-Patienten in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Das Gesundheitsministerium in Honduras registrierte bislang 18.700 Personen, die am tropischen Denguefieber erkrankten. Zudem wurden 50.000 Malaria- Fälle und mehrere hundert Fälle von Cholera registriert.
Leptospirose wird vor allem durch den Kontakt mit Ratten-Exkrementen übertragen, greift Leber und Niere an und führt zu starken Kopfschmerzen, Fieber, Erbrechen und inneren Blutungen. Augustin Guevara, Leiter der Gesundheitsbehörde in Chinandega, führt die rasante Ausbreitung darauf zurück, daß die meisten Brunnen in Folge des Hurrikans Mitch verunreinigt und die meisten Latrinen übergelaufen sind.
Nicaraguas Präsident Arnoldo Aleman zeigt sich angesichts der drohenden Folgekatastrophe bereit, seinen Antikommunismus für eine Weile hintanzustellen. Jetzt soll er nach Auskunft seines Sprechers doch bereit sein, sechs Ärztebrigaden aus Kuba ins Land zu lassen. Zu seinem Gesinnungswandel mag beigetragen haben, daß inzwischen mehrere staatliche Ärzte die Seuchengebiete fluchtartig verlassen haben. Kuba hat Nicaragua, Honduras und Guatemala insgesamt 2.000 Ärzte für mehrere Wochen zugesagt. El Salvadors Innenminister Mario Acosta Oertel wies das Angebot mit den Worten zurück: „Kein Kubaner wird dieses Land betreten. Wir haben genügend Ärzte, um unsere Kranken selbst zu versorgen.“ Sofern es die Kranken überhaupt bezahlen können, versteht sich.
In Nicaragua drohen derweil neue Erdrutsche. Eine internationale Geologenkommission hat inzwischen den Erdrutsch am Vulkan Casita untersucht, der mehr als 2.000 Menschen verschüttete. Demnach löste der starke Regen riesige Feldbrocken vom Kraterrand und ließ sie drei Kilometer weit ins Tal rutschen. Dort bildete das Geröll eine Barriere, bis sie den Wassermassen nicht mehr Stand hielt. Eine riesige Welle aus Schlamm und Geröll begrub dann vier Dörfer.
Die Gefahr sei nicht gebannt. Zwar könne der nächste Erdrutsch am Casita nicht vorausgesagt werden. „Es ist aber sehr wohl möglich, die Zonen zu bestimmen, die am meisten gefährdet sind“, so die Experten.
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