: Haase-lecken, Haase-testen
■ Warum im Wagenfeld-Haus eine Möhre steht und warum die Goldene Mitte Bremens ausgerechnet in der Katharinenpassage liegt / Eine Ausstellung lobt das Bremer Designerpaar Haase über den grünen Klee
Doch. Pleiten gab's zum Glück auch. Da war die Geschichte mit den neuen Etiketten für ein Marmeladenglas des Bremer Schickschick-Gastronomen Grashoff. Auf dem Glas sahen die verklebten Augen des verkaterten Frühstückers statt lockender Beerenfrüchte einen Farbklecks. Schon auch schick, aber so früh morgens? Die Etiketten wurden schleunigst eingestampft, später gab es Marmelade mit einem hübschen Aquarellchen, und die Kundschaft griff wieder zu.
Nun, ein Ausrutscher. Fast alles andere, was uns das Bremer Desig-nerpaar Haase dieser Tage im Wilhelm-Wagenfeld-Haus zeigt, wurde bekannt, berühmt und ausgezeichnet, weshalb Sibylle und Fritz Haase einen Platz in der Ausstellungsreihe „Ausgezeichnete Gestalter“ des Design-Zentrum Bremen erhielten.
Kann man Haasen eigentlich über den grünen Klee loben? Man kann. Es war Klaus Berthold, der Leiter des Design-Zentrums, der sich letzte Woche anläßlich einer Pressekonferenz beim Ehrüberschütten schier überschlug. Die Tabakdosen seien „unglaublich preisgekrönt“, die das Atelier Haase & Knels (das ist ihr Mädchenname) für den feinen Kunden Stanwell entwarf. Außerdem gelte „der Prophet nichts im eigenen Land“, woraus folgt, die Haases können keine Propheten sein. Denn in Bremen haben sie recht nachhaltig ihre Zeichen gesetzt.
Alte Zeichen zum Beispiel, wie das dem Einbahnstraßenschild nachempfundene „Zur Böttcherstraße“, das heute noch zahlreiche Bauernhöfe im Speckgürtel Bremens ziert. Die Böttcherstraße war der erste bedeutende Kunde der Haases, die vor gut dreißig Jahren nebenan im Schnoor anfingen, wo sie auch heute noch, zusammen mit 18 Mitarbeitern, in mittlerweile fünf Häuschen arbeiten.
Neue Haase-Zeichen entdeckt der Aufmerksame in den Passagen. Mit Gewinn beteiligte man Haase & Knels an der Gestaltung der Lloyd- und der Katharinenpassage. Die freche Behauptung, die „Goldene Mitte Bremens“ liege just in der eher marginalen Katharinenpassage: ein echter Haase. (Und hier ein Tip: Machen Sie den Haase-Test! Laufen Sie die Katharinenpassage rauf und runter und entscheiden Sie, welche Seite Haase-gestaltet und welche Wildwuchs ist!) Als „typisch Haase“ würde man heute vielleicht die Mischung aus stark zurückgelehnt-bürgerlichen, gediegenen Stilelementen und abstrakt-intellektuellen Zeichen charakterisieren, wie man sie bei Tabak- und Tischkulturwerbung sehen kann, aber auch bei der Gestaltung des werblichen Auftritts der NF Bank. Die Affinität zum Feinen-Kleinen ist offensichtlich. Oberheikle Aufträge, wie ein Relaunche oder Re-Design der Traditionsmarke Reidemeister & Ulrich (Bremer Weinhändler), gelingen mit Bravour, wenn man edle Weine liebt und sich offenbar bestens in der Welt des betuchten Genießers auskennt. Die allerklein-feinsten Arbeiten innerhalb der Branche aber sind die Briefmarken; 1997 gab die Post allein zwölf Briefmarken made by Haase & Knels heraus. Solche Jobs machen zwar nicht reich, aber berühmt und führen dazu, daß Herr Berthold folgenden Witz machen kann: „Jeder von Ihnen hat schon mal an einem echten Haase geleckt.“
Komisch und erheiternd sind auch einige frühere Arbeiten der Haases, wie ein Auftrag für die Vereinigten Flugwerke VFW von 1973, aus einer Zeit also, als es das Wort „sexistisch“ noch nicht gab. Jedenfalls wird hier anhand einer Nackten bewiesen, wie leise die VFW-Flieger im Vergleich zu Fliegen sind. Sowas käme heute nicht mehr vor, zumal Fritz Haase seit 1975 Professor an der Hochschule für Künste ist und insofern auch Vorbild. Es versteht sich von selbst, daß man einen Bremer Professor mit der Frage nach Grenzen für sein werbendes Tun nicht in Verlegenheit bringen kann. Für „rechte Parteien“ würde er ebenso wenig arbeiten wie für „schädliche Produkte“ wie Schlankheitsmittel. Und selbst bei dem Auftrag, der Zigarettenmarke Camel aufzuhelfen, „hätte ich ein Problem“, so Haase. Denn Zigaretten seien, im Gegensatz zu Tabak, „keine Kultur“.
Kein Problem dagegen hatte Haase mit Mercedes-Benz; für den weniger kleinen, manchmal auch weniger feinen Verein erstellten Haase & Knels in zweijähriger Arbeit eine very sophisticated Imagebroschüre, die jedoch leider nur mit dem Vorgänger von Vorstand Schrempp abgestimmt war. „Das ist immer unsere Angst: Daß der Vorstand wechselt“ – so lautet der dezente Hinweis Haases auf die Tatsache, daß es sogar in der wunderbaren Welt der Nutzkunst böse Abstürze geben kann.
In der Mitte des Innenhofes des ehemaligen Knastes, der heute das Aushängeschild Bremer Designförderung darstellt, ragt eine entsetzlich große Möhre gen Himmel, was die Frage aufwirft: War die Möhre zuerst da oder der Haase? Wer so heißt, hat ja nur zwei Möglichkeiten: schnelle Heirat, um den Namen loszuwerden. Oder mitspielen. Über Häschenwitze lachen. Und den Löffelohrigen zum Firmenlogo überhöhen. Wie die Haases. BuS
„Haase bei Wagenfeld – Exemplarische Arbeiten aus 35 Jahren“, Wilhelm-Wagenfeld-Haus, Am Wall 209, bis 22.1.1999. Führungen: 1.12., 18 Uhr: „Briefmarkengestaltuung“, 8.12., 18 Uhr: „Erscheinungsbilder“, 12.1., 19.30 Uhr: „Berufsbild Grafikdesign“, 19.1., 18 Uhr: „Arbeiten bei Haases“ (Arbeitsalltag)
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