Pinochets letzter Strohhalm

Das weitere Schicksal von Chiles Ex-Diktator Augusto Pinochet liegt jetzt in den Händen des britischen Innenministers Jack Straw. Der bittet vor allem um mehr Zeit  ■ Von Bernd Pickert

Berlin (taz) – Nach dem Urteil der britischen Lordrichter, dem chilenischen Ex-Diktator Augusto Pinochet keine Immunität zuzugestehen, liegt die Entscheidung über den Fortgang des Verfahrens jetzt beim britischen Innenminister Jack Straw. Er muß entscheiden, ob das Verfahren zur Auslieferung Pinochets nach Spanien nach dem britischen Auslieferungsgesetz von 1989 weitergehen kann oder nicht. Ursprünglich hatte ihm das Amtsgericht in der Londoner Bow Street, das mit dem Auslieferungsverfahren betraut ist, bis zum nächsten Mittwoch Zeit gegeben – Straw allerdings hat sich eine weitere Woche erbeten.

Straw, der innerhalb der britischen Regierung als konservativer Law-and-order-Mann gilt, wollte sich vorab nicht äußern. Er kündigte lediglich an, „dem Gesetz entsprechend“ zu entscheiden – das allerdings hätte man von einem Innenminister ohnehin erwartet. Das Auslieferungsgesetz legt keine eindeutigen Kriterien fest, die der Innenminister zur Grundlage seiner Entscheidung machen muß. So werden letztendlich politische Überlegungen den Ausschlag geben.

Dementsprechend bemüht sich die chilenische Regierung, Druck auf die Briten aufzubauen. In einer bereits vor dem Spruch der Lordrichter aufgesetzten Petition führt die chilenische Regierung zwölf Argumente gegen die Auslieferung Pinochets an Spanien an – von der Drohung mit einer Verschlechterung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen bis zur Befürchtung, eine Verurteilung Pinochets im Ausland werde den Demokratisierungsprozeß in Chile behindern. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, sagte hingegen, Großbritannien müsse Pinochet entweder ausliefern oder selbst vor Gericht stellen. Dazu sei Großbritannien durch die von dem Land ratifizierte UN-Konvention gegen Folter verpflichtet. Falls sich Straw von der europäischen Presse beeindrucken läßt, müßte er ebenfalls zu einer eindeutigen Meinung kommen: Nahezu alle europäischen Blätter kommentierten die Entscheidung der Lords als „historischen Tag“ für die Ächtung von Menschenrechtsverletzungen.

Dennoch kann es bis zu einer Auslieferung Pinochets an Spanien noch sehr lange dauern. Gegen jeden einzelnen Schritt des Verfahrens können die Prozeßbeteiligten Berufung einlegen.

Für alle, die Pinochet im Gefängnis sehen wollen, ist eine lange Verfahrensdauer nur gut: Ab dem Moment, da in Spanien eine Verurteilung Pinochets rechtskräftig würde, wäre Pinochet wieder ein freier Mann – Menschen über 70 Jahre müssen in Spanien keine Haftstrafe mehr antreten.