: Mitbestimmung südafrikanisch
■ Gewerkschafter vom Kap auf Erkundungstour im Weser-Ems-Gebiet
Derartigen Besuch hat es bei der Deutschen Grove GmbH in Wilhelmshaven noch nie gegeben. Verwundert blicken die Arbeiter an den Werkbänken auf, als der Betriebsratskollege Sigfried Willmann an diesem Morgen eine kleine Delegation von Afrikanern durch die Hallen des Kranherstellers führt.
Lizo Neti, Raymond Gaftha und Gazi Gladman sollen zunächst einen Eindruck von den Arbeitsbedingungen erhalten, bevor es ans Inhaltliche geht. Die drei Gewerkschafter aus Südafrika sind hier, um mehr über betriebliche Mitbestimmung „made in germany“ zu erfahren. Auf Einladung des Deutschen Gewerkschaftsbundes verbringen sie eine Woche bei Gewerkschaftern in Oldenburg.
„Die Situation in Deutschland ist für uns deshalb so interessant, weil die ANC-Regierung in Südafrika Betriebsräte nach deutschem Muster einführen möchte“, berichtet Lizo Neti, Vertreter der Transportarbeitergewerkschaft TAWUSA in Port Elizabeth. Nach der Novelierung der südafrikanischen Arbeitsgesetze sollen sogenannte Workplace Forums eingerichtet werden, die über klar definierte Mitbestimmungsrechte verfügen. „Bislang wurde die Interessenvertretung in Südafrika stets von den gewerkschaftlichen Vertrauensleuten geleistet“, betont Lizo. Die Arbeit der sogenannten Shop Stewards sei kaum geregelt gewesen.
Später im Konferenzsaal versucht Betriebsrat Willmann, alle Fragen zu beantworten. „Wieviele Mitglieder hat der Betriebsrat überhaupt? Welche Informationen bekommen Arbeitnehmervertreter vom Management? Wieviele von ihnen gehören der Gewerkschaft an? Die Gäste wollen es genau wissen. Jedes Detail wird im Notizbuch festgehalten, damit auch die Kollegen zu Hause sich ein Bild machen können.
„Wie hat sich der Betriebsrat bei der Übernahme des Werkes durch den US-Konzern Grove verhalten?“, fragt Gazi Gladmann. Übernahmen brächten in Südafrika fast immer dramatische Verschlechterungen für die Arbeitnehmer.
Inzwischen hat sich auch Grove-Manager Lothar Hahne hinzugesellt. Die drei Afrikaner staunen nicht schlecht, als Hahne und Betriebsrat Willmann ihnen übereinstimmend von der Sanierung des Unternehmens erzählen: fast die Hälfte aller Arbeitsplätze der früheren Krupp-Tochter in Wilhelmshaven wurde im Vorfeld der Übernahme abgebaut – und das mit Zustimmung des Betriebsrates. Soviel Sozialpartnerschaft stimmt die Besucher nachdenklich. „In Südafrika sind solche Maßnahmen Kriegserklärungen für die Arbeiter und ihre Vertrauensleute“, sagt Gazi.
Daß sich Leute wie Lothar Hahne überhaupt mit Arbeitern an einen Tisch setzen, ist für ihn schon eine Besonderheit. Bevor sich der Geschäftsführer von Grove verabschiedet, will Gazi nur noch eins wissen: „Wie fühlt man sich überhaupt als Manager unter Gewerkschaftern?“ Michael Hollmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen