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Kassen müssen für Schlamperei büßen

■ Einige Krankenkassen führten Aufsichtsbehörde mit falschen Mitgliederlisten in die Irre. Nun müssen Milliardenbeträge nachgezahlt werden. Den Versicherten der Innungskrankenkassen drohen sogar Beitragse

Berlin (taz/dpa) – In den Krankenkassen rumort es. Vergangene Woche hatte Andrea Fischer (Grüne) die Spitzenvertreter der gesetzlichen Kassen zu einem vertraulichen Gespräch nach Bonn eingeladen. Die Bundesgesundheitsministerin präsentierte den Managern die Abrechnung des Bundesversicherungsamtes zum Risikostrukturausgleich (RSA), der den finanziellen Ausgleich zwischen reichen und bedürftigen Kassen regelt.

Fazit der Bilanz für die Jahre zwischen 1994 und 1997: Verschiedene Kassen führen insgesamt etwa 900.000 Mitglieder zu Unrecht in ihren Listen – und kassieren für die Karteileichen mehrere tausend Mark im Jahr. Die Gesundheitsministerin fordert nun das Geld zurück. Das dürften einige Kassen nicht verkraften.

Das große Zittern ergreift besonders die 44 Mitglieder im Bundesverband der Innungskrankenkassen (IKK). Sie müssen 1,09 Milliarden Mark zurückzahlen, weil sie für rund 70.000 Falschmitglieder kassiert haben. IKK-Chef Gernot Kiefer sprach am Wochenende vorsorglich von einer künftigen Beitragserhöhung zwischen einem und zwei Prozent. Auf taz-Nachfrage relativierte das seine Kollegin Brigitte Wutschel-Monka allerdings: „Möglicherweise werden die Beiträge nur in einigen Regionen angehoben.“ Möglich scheint aber auch, daß einige Mitgliedskassen die Rückzahlung nicht verkraften und mit anderen fusionieren werden.

Unter den Unkorrekten sind auch Betriebskrankenkassen und die Technikerkrankenkasse (TK). Sie muß ihre Kartei um 50.000 Pseudomitglieder bereinigen. Die TK gehört zwar zu den reichen Geber-Kassen, aber dennoch wird eine Milliarde Mark fällig, weil sie nicht genügend in den Topf eingezahlt hat. Eine Beitragserhöhung sei ausgeschlossen, versicherte TK-Sprecherin Dorothee Becker. Der Fehlbetrag werde aus Rücklagen an den RSA erstattet. Das Bundesversicherungsamt wird die Schulden eintreiben. Bis Ende 2000 sollen die Kassen Zeit dafür haben. Die Bundesgesundheitsministerin werde außerdem Ratenzahlungen anbieten, hofft die TK-Sprecherin.

Für die schlampige Pflege ihrer Mitgliederlisten finden die betroffenen Kassen nur dürftige Erklärungen. Mitversicherte Familienangehörige meldeten sich nicht ab, wenn sie eine eigene Versicherung abschlössen, heißt es. Die holprige Erklärung verwundert bei den korrekten Kassen. Vielfach hätten die Kollegen es bewußt nicht so genau mit dem Zählen genommen, um eben mehr aus dem RSA rauszuholen oder weniger einzuzahlen. Jetzt rächt sich die Schlamperei. Die 17 Kassen der AOK und die Bundesknappschaft könnten davon profitieren. Ihnen müßten zum Ausgleich Transfers in Milliardenhöhe zugehen. Die Ungenauigkeiten beim RSA werde den Kassen nicht zusetzen, ließ Gesundheitsministerin Fischer gestern wissen. „Das Gros der Kassen wird das abfedern können“, sagte eine Sprecherin. Sollte es zu Beitragssteigerungen kommen, würden diese nicht sehr hoch ausfallen.

Arbeit gibt es für die Gesundheitsministerin auch noch bei einem anderen Thema. Der Entwurf des Vorschaltgesetzes zur Gesundheitsreform soll nachgebessert werden. Vehement hatten in den vergangenen Tagen Ärzte und die Pharmalobby gegen die Absicht protestiert, für Arzneiausgaben und Arzthonorare im kommenden Jahr feste Budgets einzuführen. In einem Interview sagte Fischer, sie sei zu Kompromissen bereit. Niemand im Gesundheitswesen schätze es, wenn die Politik Budgets vorgebe, sagte sie. Die Budgets seien sehr streng ausgefallen.

Die Regelung im Arzneimittelbreich für 1999 sieht vor, die Ausgaben auf dem Niveau von 1996 festzuschreiben. Davon gehen aber 4,5 Prozent wegen vormaliger Zuzahlungsregelungen ab. Die Ärzte hatten prophezeit, am Ende des kommenden Jahres wegen des Budgets möglicherweise keine Arzneimittel mehr verschreiben zu können. Die Apotheker befürchten Umsatzeinbußen und sahen bereits 10.000 Arbeitsplätze gefährdet. Nicht daß Andrea Fischer den Protesten nachgegeben hätte. „Damit muß man als Politiker immer leben“, sagte sie.

Unterdessen forderten die Betriebskrankenkassen, die Zuzahlungen für kleine Medikamentenpackungen zu senken. Der Trend gehe zur Großverpackung und damit zu Verschwendung, hieß es. Annette Rogalla

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