: Rollstuhlfahrer müssen draußen bleiben
■ Sozialausschuß führt eine öffentliche Anhörung über ein Gleichberechtigungsgesetz für Behinderte durch. Wegen Brandschutzbestimmungen können nur vier Rollifahrer dabeisein. Behindertenverbände: "Glas
Vor der morgigen Sitzung des Gesundheits- und Sozialausschusses bahnt sich ein Eklat an. Denn der Ausschuß führt eine öffentliche Anhörung zu dem Koalitionsentwurf für ein „Landesgleichberechtigungsgesetz von Menschen mit und ohne Behinderungen“ durch. Jedoch dürfen nur vier RollstuhlfahrerInnen zuhören. „Das werden sich viele Rollstuhlfahrer nicht bieten lassen“, weiß Martin Eisermann vom „Bündnis selbstbestimmt Leben“. Das sei ein „glasklares Beispiel“ für die Diskriminierung, die Behinderte immer wieder von öffentlichen Veranstaltungen ausschließe.
Die Ursache: Mit Blick auf die Rettungskapazitäten im Brandfall läßt die Versammlungsstättenverordnung für den Sitzungssaal nur acht RollifahrerInnen zu. Vier der geladenen Sachverständigen sitzen selbst im Rollstuhl. Eisermann, der einer der vier ist, rechnet aber mit mindestens 30 AusschußbesucherInnen im Rollstuhl und entsprechenden Protesten. „Hier sieht man, warum ein wirksames Antidiskriminierunsgesetz notwendig ist“, sagt der Jurist. Für das aber halten die Berliner Behindertenverbände den Koalitionsentwurf nicht. Pikanterweise ist am Sitzungstag, dem 3. Dezember, auch noch der Uno-Welttag der Behinderten.
„Ich habe versucht, einen Kompromiß zu finden“, sagt die Ausschußvorsitzende Dagmar Pohle (PDS) zu der Kritik der Behinderten, „aber wir müssen uns an diese Bestimmungen halten.“ Sie habe die Sitzung daher in den größten Raum des Abgeordnetenhauses, den Festsaal, verlegt. „In den normalen Sitzungssaal sind noch weniger Rollstuhlfahrer zugelassen.“ Außerdem werde die Ausschußsitzung im Foyer des Abgeordnetenhauses auf Bildschirmen übertragen, später würden Wortprotokolle an Interessierte verschickt.
Nach Ansicht des bündnisgrünen Abgeordneten Dietmar Volk reicht das nicht: „Ich habe vorgeschlagen, daß jeder Abgeordnete die Verantwortung für einen Rollifahrer übernimmt und ihn im Notfall selbst die Treppen herunterträgt“, so Volk. Den Vorschlag habe Pohle abgelehnt. Eisermann fordert, daß Pohle eine einmalige Ausnahmeregelung für die Ausschußsitzung erwirkt oder diese sonst in einem Raum außerhalb des Abgeordnetenhauses abhält: „Es gibt doch geeignete Räume wie das Oberstufenzentrum in der Wrangelstraße oder die Kongreßhalle.“ Alles andere, so Eisermann, sei ein „politischer Skandal“. Sabine am Orde
Bericht Seite 18
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