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Jungenverhalten wird als Norm gesetzt –betr.: „Wenn junge Verlierer die Wut“ packt von Gerd Michler, taz vom 30. 11. 98

[...] Auch als soziologischer Laiin ist es schon bis zu mir gedrungen (unter anderem durch Berichte der taz), daß die allerorten beschworene Gewalt ausländischer Jugendlicher eine geschlechsspezifische ist. Um so unpassender und unglaubwürdiger die Argumente für die zunehmende Gewaltbereitschaft, die hier angeführt werden. Als ob die Mädchen nicht genauso von (angeblich) prügelnden Eltern, von kulturellen Schockzuständen und Minderwertigkeitskomplexen betroffen wären, aber nein: Sie brauchen (oder bekommen?) keine Lederjacken, und sie prügeln wohl auch kaum reihenweise ihre Mitschülerinnen. Damit bricht für mich das ganze Konzept dieses Artikels in viele kleine Scherben. Es muß irgendwie noch einen Grund geben, daß die Jungs auf diese Weise reagieren, oder? Kann es sein, daß da ein genderspezifisches Muster eine riesige Rolle spielt? [...] Katja von der Bey

Herr Michler scheint noch nicht gemerkt zu haben, daß Kinder und Jugendliche in aller Regel Mädchen und Jungen sind. Er beschreibt die Reaktion männlicher Jugendlicher als Zwangsläufigkeit, vergißt aber, daß Mädchen den gleichen Bedingungen von Ausgrenzung ausgesetzt sind, jedoch offensichtlich andere Verhaltensstrategien entwickeln. Leider erwähnt er diese Tatsache mit keinem Wort. Das Verhalten von Jungen wird somit wieder einmal als Norm gesetzt.

Wir freuen uns, daß Kriminologen sich intensiver mit den sozialen Ursachen von Gewalt und kriminellen Auffälligkeiten beschäftigen. Wahrscheinlich tun sie das auch differenziert, und wenn ein Autor Mädchen und weibliche Jugendliche ohne Kommentar unberücksichtigt läßt, ist das entweder Dummheit oder Sexismus. [...] Karen Lehmann, Malene Budde, Marianne Mann, Mädchenhaus Düsseldorf e. V.

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die auf dieser Seite erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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