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Amnesty will nicht nur Gefangenen helfen

Vor 50 Jahren verabschiedeten die Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Amnesty international feierte das Datum – und kündigte an, auch der Wirtschaft auf die Finger zu schauen  ■ Aus Frankfurt am Main Heide Platen

Draußen auf dem Frankfurter Römerberg ist Weihnachtsmarkt. Drinnen in der Paulskirche sieht es aus wie auf einem Friedenscamp. Rucksäcke stapeln sich. Das von amnesty international (ai) angeprangerte Elend scheint unüberwindlich. Oben auf der Bühne sechs MenschenrechtlerInnen. Sie sitzen und reden wie in jenem Guckkasten, der erschütternde Einzelschicksale präsentiert – das Markenzeichen der 1961 gegründeten Gefangenenhilfsorganisation ai. Eines haben sie gemeinsam: Sie sind für ihr gewaltfreies Engagement verfolgt worden.

Die Kolumbianerin Yanette Bautista weint auf der Bühne. Ihr Freund und ihre Schwester gehören zu den Verschwundenen Lateinamerikas. Sie mußte fliehen, nachdem sie nach jahrelanger Suche die Verantwortlichen öffentlich beim Namen nennen konnte. Der bolivianische Gewerkschafter Waldo Albarracin ist gefoltert worden und sagt, daß habe ihn „nur stärker“ gemacht. Der ägyptische Arzt und Psychiater Mohamed Mandour ist der Folter in Kairo 1991 entkommen und weiß, „beim zweiten Mal würde ich lieber vorher sterben“. Binta Sidibe aus Gambia wurde Opfer der Klitorisbeschneidung und kämpft seither gegen Genitalverstümmelungen. Die Inderin Medha Paktar ist Trägerin des alternativen Friedensnobelpreises und ging für ihren Kampf gegen ein Staudammprojekt immer wieder ins Gefängnis. Andreas Kossi-Ezuke informierte über Menschenrechtsverletzungen in Togo. Er floh 1997 ins deutsche Exil.

Auch Industrie und Banken überwachen

Ein siebenter ist nicht gekommen: Die Türkei ließ den Menschenrechtler Akin Birdal nicht ausreisen. Drei Tage lang diskutierten 1.200 Menschen aus aller Welt auf dem Kongreß „Zukunft der Menschenrechte“ in Foren und Plenen die Zukunft der vor 50 Jahren von der UNO deklarierten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Ai präsentierte sein eigenes Fazit. Glaubwürdigkeit, saubere Recherche und fundierte Berichte seien die Stärken der Vergangenheit gewesen. Nun gelte es, mit den Erfolgen weniger bescheiden umzugehen. Der schwerfällige Apparat der weltweit eine Million Mitglieder und Förderer zählenden Organisation müsse flexibler werden. Ai müsse federführend mit anderen regierungsunabhängigen Organisationen zusammenarbeiten. Das „klassische“ Feld müsse von der Gefangenenhilfe hin zu den Menschenrechten allgemein ausgebaut werden. Nachforschungen über Menschenrechtsverletzungen seien künftig auch bei Industrie und Banken anzustellen.

Die VertreterInnen aus Lateinamerika begrüßten immer wieder die Verhaftung des chilenischen Ex-Diktators Pinochet. Die Strafbarkeit von Menschenrechtsverletzungen sei ein wichtiger Schritt für die Zukunft. Volkmar Deile, Generalsekretär der deutschen ai- Sektion, wandte sich in seiner gestrigen Abschlußrede gegen „jeden Kulturrelativismus“: „Keine Kultur ist generell menschenrechtsfeindlich.“ Wer einen künftigen Krieg der Kulturen prophezeie, der verkenne, daß „die Trennungen durch sie hindurch laufen. Niemand auf dieser Welt findet Folter normal.“ Das gelte auch für Armut und Hunger. Die Menschenrechte seien „die Substanz einer eigentlich unvollendeten Revolution“, aber dennoch nicht nur visionär und utopisch.

Eine Hierarchie zwischen dem Recht auf Essen und Meinungsfreiheit sei „schlichter Unsinn“. Deile ehrte zwölf MenschenrechtlerInnen mit einem symbolischen Preis und endete wieder mit einem Einzelschicksal. Eine kolumbianische Nonne habe ihm auf seine Einladung geschrieben: „Wenn ich noch lebe, komme ich.“

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