Konflikte, Verzögerungen, Blockaden

■ Die Stadtplanung Berlins zeichnet sich vor allem durch das Kompetenzgerangel zwischen den einzelnen Senatsressorts aus. Wichtigste Aufgabe: die gemeinsame Planung mit Brandenburg

Unter den Linden ist nicht gleich Unter den Linden. Zumindest nicht in der Berliner Verwaltung. Während die eine Hälfte des gerade 300 Jahre alt gewordenen Boulevards nach dem Geschmack des SPD-Stadtentwicklungssenators Peter Strieder gestaltet wurde, soll die andere die Handschrift des CDU-Bau- und -Verkehrssenators Jürgen Klemann tragen.

Eine Provinzposse? Nein, der Regelfall, sagen die Autoren der Berlin-Studie, die derzeit die wissenschaftlichen Grundlagen der Berliner Politik für die nächsten Jahrzehnte unter die Lupe nehmen. Namentlich der Konflikt zwischen den Ressorts von Strieder und Klemann, so die Studie, führe immer wieder zu „Konflikten, Entscheidungsverzögerungen und -blockaden“.

Nicht umsonst werden in der Berlin-Studie die Politikfelder Wohnen, Dienstleistungen, gewerbliche Nutzungen sowie Verkehr unter dem gemeinsamen Titel „räumliche Entwicklung“ zusammengefaßt. Und weil räumliche Entwicklung in Berlin immer auch mit dem Umland der Hauptstadt zu tun hat, wird dem „engeren Verflechtungsraum“, im Volksmund „Speckgürtel“ genannt, besonderes Augenmerk zuteil. Aller Stadtflucht und Zersiedelung zum Trotz bilden, so die Autoren der Studie, die Landschaftsräume des Umlandes im Vergleich zu anderen Metropolen eine Besonderheit der Region.

Auch in Berlin wird die Raumplanung vor allem bestimmt von dem aufreibenden Konflikt zwischen einer ökologischen Perspektive des Erhalts und den konkurrierenden ökonomischen Erfordernissen. Einen Königsweg aus dem Dilemma kann auch die Berlin-Studie nicht bieten. So begrüßenswert der Ansatz ist, Berlin und sein Umland als Region zu begreifen, so sehr löst sich dieses Denken in den individuellen und unternehmerischen Standortentscheidungen auf.

Eine gescheiterte Länderfusion kann eben auch ein mit hochkarätigen Wissenschaftlern besetzter Think Tank nicht ersetzen. Und so bleibt als politische Empfehlung lediglich der Hinweis auf das „informelle“ Zusammenwirken beider Länder in einer „Gemeinsamen Landesplanung“, die ihrem Namen, wie man sich denken kann, nicht allzuoft gerecht wird.

So sehr allerdings Ressortstreitigkeiten und Länderkonkurrenzen zu beklagen sind, so positiv hat sich nach Ansicht der Berlin- Experten das planerische Leitbild in Berlin selbst geändert. Nicht zuletzt dank des – umstrittenen – „Planwerks Innenstadt“ sei eine Umorientierung auf eine nachhaltige Planung, auf das Primat der Innen- vor der Außenentwicklung kenntlich geworden. Dem entspreche auch die Flächenpolitik, wie sie sich im Berliner Flächennutzungsplan und den einzelnen Stadtentwicklungsplänen niedergeschlagen hat.

Ein Großteil des weiteren Bedarfs an Wohnungsbau- und Gewerbegebieten sei nunmehr in bereits vorhandenen Gebieten durch „Arrondierung“ oder „Verdichtung“ realisierbar. Das ist, zumindest zwischen den Zeilen, eine Kritik an dem Bau gigantischer „neuer Vorstädte“ wie Karow- Nord, die sich nicht nur im Verbrauch ökologischer, sondern auch finanzieller Ressourcen als Fässer ohne Boden erwiesen haben.

Einer Nachhaltigkeit im vulgären Sinne, wie sie etwa als Zentrumsideologie des „Planwerks Innenstadt“ daherkommt, reden die Autoren der Berlin-Studie allerdings nicht das Wort. Dazu sei die Stadtstruktur viel zu „multizentral“ und „weitgestreckt“. Ergänzt durch eine hohe „Kompaktheit“ und „Vernetzung“ gehöre diese „teilräumlich differenzierte, aber ausgeglichene Siedlungsstruktur“ zu den Stärken Berlins, die allerdings durch zunehmende Suburbanisierung und soziale wie räumliche Segregation gefährdet sei. Dabei gehe die Gefahr aber auch von den neuen Zentren der Stadt, wie etwa dem Potsdamer Platz, dem Lehrter Bahnhof oder dem City-Ost-Bereich um die Friedrichstraße und den Alexanderplatz, aus.

Wie groß die Kluft zwischen der Erkenntnis des Steuerungsbedarfs und der Realität der Steuerungsmöglichkeiten freilich sein kann, zeigt sich an einem der derzeit brennendsten Probleme Berlins – der Konzentration des Einzelhandels in Einkaufszentren nicht nur auf der grünen Wiese, sondern auch in den Innenstadtbezirken. Hier, so lautet das Fazit etwas ratlos, seien „lenkende Maßnahmen unbedingt erforderlich“.

Und wie steht es um die Strukturen der Berliner Politik? Anders als viele Politiker stehen die Autoren der Berlin-Studie der Verringerung der Bezirke von derzeit 23 auf zwölf eher zurückhaltend gegenüber. Gerade die „Dualität“ der Berliner Verwaltung, hier die Senatsverwaltungen, dort die Entscheidungskompetenz der Bezirke, sei nämlich „eine in dieser Form einmalige strukturelle Qualität“. Wenn auch in Zukunft der Boulevard Unter den Linden in zwei Hälften geteilt sein wird, ist dies weniger ein Problem der politischen Struktur als vielmehr der Politiker. Uwe Rada