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Perspektiven für die Härtefälle

Seit sechs Wochen sucht die Beschäftigungsagentur Neukölln Arbeit für Sozialhilfeempfänger. Bisherige Bilanz: 81 vermittelte Stellen. 50.000 warten noch auf einen Job  ■ Von Corinna Budras

Arbeit kann so einen Spaß machen: Dicht gedrängt stehen die Mitarbeiter der Beschäftigungsagentur Neukölln im Flur und beklatschen ihre ersten Erfolge. Innerhalb von sechs Wochen haben 81 Sozialhilfeempfänger durch sie eine Arbeit gefunden. Menschen von ganz unten, die als unvermittelbar gelten. Auch Projektleiter Stefan Grande zeigt sich sichtlich erfreut, denn „täglich werden es mehr“, frohlockt er.

Es tut sich was in Berlins größtem Sozialfhilfebezirk. Vor sechs Wochen wurde die gemeinnützige Neuköllner Beschäftigungsagentur gegründet, zunächst befristet auf ein Jahr. Seitdem suchen im Auftrag des Bezirksamtes vierzehn Mitarbeiter für die Sozialhilfeempfänger geeignete Arbeitsplätze – hauptsächlich Hilfsarbeiten: Pflegedienste in Seniorenheimen, Malern oder Tischlern in Kindergärten oder Jugendclubs. Zusätzlich haben die ABM-Kräfte 90 Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt aufgetan: Bäcker, Friseure, Tischler, Maurer und Schneiderinnen werden gesucht. Einen schönen Anreiz zur Kooperation hat der Arbeitgeber ja: Bis zu 30.000 Mark an Lohnkostenzuschuß bringt es, wenn ein Arbeitgeber einem Sozialhilfeempfänger noch einmal eine Chance gibt.

Rund 460 Hilfsbedürftige haben die Mitarbeiter der Neuköllner Beschäftigungsagentur seit Mitte September beraten, dem Großteil konnten sie auch Angebote unterbreiten. 81 haben jetzt einen unterschriebenen Arbeitsvertrag befristet auf ein Jahr in der Tasche, von den restlichen Anwärtern befinden sich viele noch im Bewerbungsstreß. Mit rund 50.000 registrierten Bedürftigen hat Neukölln allerdings noch einen weiten Weg vor sich.

Schwierig genug ist schon die Vermittlung offener Stellen. Noch höher ist jedoch die Hürde, die Leute auch bei der Stange zu halten: Das Senatsprojekt „Stelle statt Stütze“ hat mit einer Kündigungsquote von 26 Prozent zu kämpfen. Das gleiche Schicksal droht auch der Beschäftigungsagentur Neukölln.

Erklärtes Ziel ist deshalb: Die Sozialhilfeempfänger sollen es auch längerfristig bei ihrer Arbeitsstelle aushalten. Sollte auch diese Möglichkeit den Bach runtergehen, dann bietet der einjährige Ausflug in das Arbeitsleben zumindest einen finanziellen Vorteil und den Vorzug des sozialen Aufstiegs: Es winkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld.

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